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Die Thermische Interpretation der Quantenmechanik
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Arnold Neumaier
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For an English translation see
Thermal interpretation - the beginnings.
For more recent contributions to the topic see
The thermal interpretation of quantum mechanics.
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(Deutsche Version von 2007, leicht editiert)
Die Anf"ange meiner Thermischen Interpretation werden
in der (in diesem FAQ immer mit [EECQ] zitierten) Arbeit
A. Neumaier,
Ensembles and experiments in classical and quantum physics,
Int. J. Mod. Phys. B 17 (2003), 2937-2980.
quant-ph/0303047
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/papers/physpapers.html#ensembles
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/ms/ensembles.pdf
mit allen formalen Details beschrieben. Vieles Weitere
(insbesondere die Herleitung der Bornschen Regel) ist
aber nicht formal publiziert, sondern wurde von mir in den Jahren
2004-2007
(z.B. https://de.sci.physik.narkive.com/fML4DBGW/ein-modelluniversum)
unter der Bezeichnung Konsistente-Experimente-Interpretation
in der Newsgruppe de.sci.physik diskutiert. Die untenstehenden Texte
sind redigierte Versionen von solchen Newsgruppenbeitr"age.
S10. Die Thermische Interpretation
S11. Wie liest man [EECQ] am besten?
S12. Kernaussagen der Thermischen Interpretation
S13. Motivation f"ur die Thermische Interpretation
S14. Die einzigen Observablen der Physik sind Erwartungswerte
S15. Zwei Arten von Erwartungswerten
S16. Thermische und Kopenhagen-Interpretation
S17. Warum ist niemand vor mir darauf gekommen?
S20. Der Messprozess im Quantenuniversum
S21. Das Quantenuniversum als formales Modell
S22. Ein Modelluniversum
S23. Physikalische Systeme und ihre Messung
S24. Vorhersage im Stern-Gerlach Experiment
S25. Was passiert einzelnen Photonen am Doppelspalt?
S26. Der Quantenradierer in der Thermischen Interpretation
S27. Muss man den ganzen Zustand des Universums kennen?
S28. Kann man den Zustand des Universums falsifizieren?
S30. Wie erkl"art sich der Zufall?
S31. Ist der quantenmechanische Zufall objektiv?
S32. Wie fasst man Wahrscheinlichkeitsverteilungen?
S33. Was wird aus dem Superpositionsprinzip?
S34. Spinmessung formal betrachtet
S35. Was ist an Wigner's Analyse idealisiert?
S36. Kollaps als bedingte Wahrscheinlichkeit?
S40. Was sind die Beables der Interpretation?
S41. Was ist ein Erwartungswert?
S42. Was ist eine Pr"aparation?
S43. Was ist eine mikroskopische Messung?
S44. Aber man kann doch einzelne Photonen messen?
S45. Was ist denn eigentlich ein Photon?
S46. Gibt es Probleme mit Lokalit"at und Bells Ungleichungen?
S47. Wie vertragen sich denn objektive Messwerte und Unitarit"at?
S48. Wie verborgen sind die 'verborgenen Variablen'?
S50. Wof"ur steht das Fragezeichen auf S.30 von [EECQ]?
S51. Warum verlangt man (S1) auf S.30 von [EECQ]?
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S10. Die Thermische Interpretation
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Hier stelle ich meine eigene Interpretation der Quantenmechanik vor,
die Thermische Interpretation.
Die traditionelle Interpretation des orthodoxen
Formalismus wird ge"andert, indem statt der Tradition, die
nur von_Neumann-Messungen von Eigenwerten als objektiv wertet,
davon ausgegangen wird, dass alle Rohmessungen Messungen von
Erwartungswerten gewisser Operatoren (oder daraus berechenbarer
abgeleiteter Konzepte) sind, und dass die quantenmechanischen
Erwartungswerte nichts direkt mit statistischen Erwartungswerten
(im Sinn von Mittelwerten von Messreihen) zu tun haben.
Die so entstehende Interpretation.erlaubt, alle Experimente konsistent
zu beschreiben, ohne die Quantenmechanik zu "andern.
"Andern braucht man nur die Interpretation des orthodoxen Kalk"uls,
im Einklang mit der Tatsache, dass Thermodynamik, Hydrodynamik,
und Kinetik - also die Theorien, die unsere Messger"ate
beschreiben - im Rahmen der statistischen Mechanik alle als
Theorien von Erwartungswerten erscheinen.
Die beobachteten Quanten-Wahrscheinlichkeiten erkl"aren sich
- genau wie die im Lorentzattraktor beobachtbaren - durch
sensitive Abh"angigkeit der gemessenen Erwartungswerte von
den pr"aparierten Erwartungswerten. Zuf"alliges Verhalten stellt
sich genau dann ein, wenn diese Sensitivit"at gegeben ist.
(Das l"asst sich leicht mit semiklassischen Rechnungen
zum Thema Quantenchaos best"atigen.)
Details werden in den weiter unten folgenden FAQ-Beitr"agen gegeben.
Ein kleiner Teil der Thermischen Interpretation ist
schon in der Arbeit
quant-ph/0303047 = Int. J. Mod. Phys. B 17 (2003), 2937-2980.
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/papers.html#ensembles
ver"offentlicht, auf die ich mich in diesem FAQ mit [EECQ] beziehe.
Diese Arbeit zeigt, wie sich die Thermische Interpretation
aus meiner Analyse der quantenlogischen Grundlagen ergeben hat,
sagt aber nichts "uber die Konsequenzen der neuen Interpretation
und die Analyse echter Messprozesse. Eine Publikation dazu ist in
Vorbereitung.
In der Arbeit gehe ich aber zweigleisig vor und beschreibe
zugleich die traditionelle statistische Interpretation.
In dem meiner Darstellung zugrundegelegten abstrakten Ensemblebegriff
ist eine probabilistische Interpretation _m"oglich_, aber nicht
_notwendig_, und bei Einzelsystemen auch nicht sinnvoll.
Wenn man Section 6 ("uber Wahrscheinlichkeit) aus [EECQ] entfernt,
ist der Rest immer noch
1. vollkommen verst"andlich,
2. hundertprozentig mit der Praxis der Quantenmechanik kompatibel,
3. physikalisch interpretierbar,
obwohl das Wort 'Wahrscheinlichkeit' kein einziges Mal mehr
in den Mund genommen wird.
Die ''squared probability amplitude''-Formel (24),
die die Basis der traditionellen Interpretation der
Quantenmechanik ist, ist bei mir nur eine Randbemerkung in
dieser Section 6, und damit v"ollig unerheblich f"ur die
Interpretation. Ich habe diesen Abschnitt nur deshalb eingef"ugt,
um zu zeigen, dass meine Axiome vollst"andig genug sind,
um den traditionellen quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsbegriff
bekommen zu k"onnen (falls man will).
Dadurch, dass man gew"ohnlich diese Formel an den Anfang stellt,
_schafft_ man sich erst die ganzen Interpretationsprobleme.
Zudem verdirbt man sich so den engen Zusammenhang zwischen
klassischer Mechanik und Quantenmechanik, und bekommt ihn erst
wieder, wenn man (bei den meisten Studenten erst mindestens
ein Jahr sp"ater) in der statistischen Mechanik die Dichtematrix
kennenlernt.
Bis dahin ist aber schon soviel Porzellan kaputtgeschlagen
worden, dass im Verst"andnis der Quantenmechanik ein heilloses Chaos
herrscht, das dann kaum mehr zu heilen ist...
Einiges "uber die Thermische Interpretation habe ich professionell
aufgeschrieben; siehe dazu
A. Neumaier,
Optical models for quantum mechanics,
Slides of a lecture given on February 16, 2010 at the
Institute for Theoretical Physics, University of Giessen,
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/ms/optslides.pdf
und Kapitel 7 meines Online-Buchs
Arnold Neumaier and Dennis Westra,
Classical and Quantum Mechanics via Lie algebras,
2008. (arXiv:0810.1019)
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S11. Wie liest man [EECQ] am besten?
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Beim ersten Lesen kann man alle Beweise einfach "ubergehen
(ausser man will einen bestimmten Punkt genau verstehen);
ausserdem fast alle Formeln, die man nicht in einer Minute
"Uberlegung verstehen kann. (Nur die Formeln in Definition 4.1,
sowie (33)-(34) sind unverzichtbar zum Verst"andnis.)
Numerierte Aussagen geben das formale Ger"ust der Theorie wieder;
dabei sind Theoreme eher wichtig, Propositionen eher technisch.
Es ist genug normaler Text dazwischen, der einen roten Faden
liefert.
Beim zweiten Lesen schaut man sich das genauer an, was man
besser verstehen will, und geht bei Verweisen oder wenn
Symbole oder Begriffe unbekannt sind, soweit zur"uck,
bis man die entsprechenden Erkl"arungen findet.
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S12. Kernaussagen der Thermischen Interpretation
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Die Quantenmechanik beschreibt das Universum als Ganzes,
und damit insbesondere alles, was man darin reproduzierbar
messen kann - inklusive Einzelsysteme, Ensembles im
statistischen Sinn, Detektoren und Physiker.
Das Universum als Ganzes verh"alt sich deterministisch,
und l"asst sich mit einer klassischen Hamiltonschen,
durch eine Hamiltonfunktion und eine Poissonklammer
definierten Dynamik beschreiben. Die klassischen Gr"ossen
in dieser Dynamik sind die traditionell als Erwartungswerte
bezeichneten Felder und Korrelationsfunktionen.
Das Universum hat einen klassischen Zustandsraum, dessen reine
Zust"ande alle Dichtematrizen der QM sind. (Die traditionelle
Interpretation hat dagegen einen Quantenzustandsraum,
dessen reine Zust"ande nur die Rang 1 Dichtematrizen sind.
Diese Einschr"ankung verursacht die traditionellen
Interpretationsprobleme.)
Alle Eigenschaften physikalischer Systeme im Universum werden
innerhalb eines einzigen mathematischen Modells des Universums
und seiner Evolution hergeleitet. Insbesondere ist der Zustand
jedes physikalischen Systems durch den Zustand des Universums
vollst"andig festgelegt.
Die Dynamik eines solchen Systems ergibt sich durch Projektion
der Dynamik des Universums auf die Algebra der Gr"ossen des
Systems und kann in der Markovn"aherung durch eine dissipative
Differentialgleichung in Lindblad-Form beschrieben werden.
Ist die Dissipation vernachl"assigbar, so erh"alt man die
traditionelle von-Neumann-Gleichung f"ur die Dichtematrix
des Systems.
Ein wichtiges Merkmal der Thermischen Interpretation
ist die konsequente Ber"ucksichtigung der Forderung, dass man
(ausser in motivierenden Bemerkungen) nur "uber vorher
mathematisch pr"azise definierte Objekte reden darf.
Dies gew"ahrleistet ein logisch konsistentes Modell, innerhalb
dessen die traditionellen Bestandteile unseren Universums samt
ihrer mathematischen Beschreibung definiert und analysiert werden.
Insbsondere wird der Messprozess modellimmanent durch
Wechselwirkung eines Quantensystems mit einem Detektor,
beide als Teilsysteme des Universums verstanden, modelliert.
Damit wird die der Kopenhagen-Interpretation eigene
Teilung der Welt in Quantensysteme und klassische Messger"ate
"uberwunden. Was eine Messung darstellt, wird pr"azisiert.
Der Zufall und die Quantenspr"unge ergeben sich als
ausschliessliche Folge der in einer Beschreibung von
Quantensystem und Detektor allein auf Grund der
Markov-N"aherung nicht vollst"andig ber"ucksichten
Wechselwirkung mit dem Rest des Universums.
Insbesondere stehen die beobachtbaren Verteilungen der
messbaren Zufallsvariablen im Einklang mit der
statistischen Interpretation der Quantenmechanik.
Die Bornsche Regel "uber Wahrscheinlichkeit als Quadrat
des Absolutbetrags einer Amplitude ergibt sich in der
Thermischen Interpretation direkt aus der
Projektion des Vielteilchensystems auf die traditionelle
reduzierten Beschreibung durch klassische Zeigervariable
des Detektors plus Quantenzustand des gemessenen Quantensystems.
Die Interpretation ist also hundertprozentig mit der
Praxis der Quantenmechanik kompatibel, leitet aber die
Wahrscheinlichkeitsinterpretation aus einfachen
deterministischen Grundannahmen ab, statt sie als
unerkl"arliches (und philosophisch problematisches)
Postulat zu den Geheimnissen unseres Universums zu z"ahlen.
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S13. Motivation f"ur die Thermische Interpretation
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Alle quantitativen Beobachtungen in der Physik beruhen auf dem
Ablesen makroskopischer Objekte - Zeiger, Filme, Z"ahler, usw.,
deren Physik durch die Thermodynamik beschrieben wird. Daraus
erschliessen wir mit Hilfe der Theorien der Physik und
numerischen rechnungen Information "uber die Mikrosysteme,
die uns interessieren.
Die 'rohen' Messgr"ossen sind also _immer_ thermodynamische Gr"ossen;
nach den Aussagen der statistischen Physik also Funktionen von
Erwartungswerten im entsprechenden grosskanonischen Ensemble.
Auch bei einer _einzelnen_ Rohmessung hat man da ein Ensemble,
aber kein echtes statistisches, sondern ein fiktives, virtuelles.
Dieses wurde als Fiktion von Gibbs eingef"uhrt, damit man den
formalen Apparat der statistischen Mechanik zur Herleitung der
thermodynamischen Gesetze benutzen darf.
In meiner Thermischen Interpretation nehme ich diese
Tatsache zum Anlass, _jedem_ Einzelsystem (und nicht nur
den thermodynamischen) ein virtuelles Ensemble zuzuordnen, das man
nat"urlich _nicht_mehr_ statistisch deuten darf, ebensowenig wie
man eine Temperaturmessung an einer Tasse Tee x-mal wiederholen muss,
bevor man von einem Wert sprechen darf.
Das Ablesen eines Zeigers oder das Auswerten eines Bildes, um ein
Messergebnis daraus zu gewinnen.wird ebenso in der Regel nur einmal
vorgenommen, evtl. zur Kontrolle ein zweites Mal. Stellt sich das
Ablesen bei der Kontrolle als unzuverl"assig heraus, so wird
die Einzelmessung zwar notiert, gilt aber nicht als reproduzierbar.
Man macht dann (und nur dann) viele Einzelbeobachtungen und fasst
diese dann statistisch zu einer Gesamtbeobachtung zusammen,
etwa in Form von Bestwert (Mittel) und Fehler (Standardabweichung).
Jede Einzelbeobachtung ist also ein thermodynamischer Erwartungswert
auf Grund eines virtuellen, nichtstatistischen Ensembles;
die Gesamtbeobachtung dagegen ist ein statistischer Erwartungswert
auf Grund eines realen Ensembles aus vielen wiederholten Messungen.
Beide Arten von Ensembles/Erwartungswerten gen"ugen denselben
mathematischen Gesetzen, haben aber eine v"ollig unterschiedliche
Bedeutung.
Daher definiere ich ein abstraktes Ensemble lieber axiomatisch
durch die relevanten Eigenschaften, siehe [EECQ] f"ur Details.
Ebenso wie die Definition eines Vektorraums (der ja urspr"unglich
auch durch 3-dimensionale Vektoren motiviert war und heute f"ur
allerlei virtuelle Vektoren - Zahlenlisten, Matrizen, Funktionen,...
benutzt wird), erlaubt das die saubere Trennung formaler
Eingenschaften und ihrer inhaltlichen Bedeutung.
Die grundlegende Annahme der Thermischen Interpretation
ist nun die, dass die objektiven Aspekte des Universums durch
ein Ensemble in diesem abstrakten Sinn gegeben ist, und alles
Messbare durch Erwartungswerte in diesem Universalensemble oder
Funktionen von solchen Erwartungswerten.
Diese Annahme erfasst alles reproduzierbar Messbare auf
einheitliche Weise: Naturkonstanten, Streuquerschnitte,
Zerfallswahrscheinlichkeiten, Reaktionsraten, Transportkoeffizienten,
thermodynamische Gr"ossen - kurz alles, was Experimentatoren messen
und steuern k"onnen oder wollen!
Ausgehend von dieser grundlegenden Annahme findet man objektive
Grundlagen f"ur einen konsistenten Aufbau der Quantenmechanik, der
1. logisch einwandfrei ist,
2. eine klassische deterministische (symplektische oder Poisson-)
Dynamik hat,
3. das Auftreten des klassischen und quantenmechanischen Zufalls
in "Ubereinstimmung mit den Experimenten erkl"art,
4. Vollst"andig ist in dem Sinn, dass die Kenntnis des Zustandes
des Universums (d.h. des Universalensembles) eine Kenntnis aller
denkbaren Messwerte impliziert.
Die Thermische Interpretation postuliert also eine
deterministische Dynamik f"ur das Universum als Ganzes, und
deduziert daraus eine approximative stochastische Dynamik
f"ur jedes Teilsystem.
Im Sinne der traditionellen Nomenklatur handelt es sich also
um eine Theorie verborgener Variablen, in denen die klassischen
Variablen die Gesamtheit der quantenmechanischen Erwartungswerte
(oder gleichwertig alle Korrelationsfunktionen der BBGKY-Hierarchie)
sind.
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S14. Die einzigen Observablen der Physik sind Erwartungswerte
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Die Thermische Interpretation sagt, dass
die einzigen Observablen der Physik Erwartungswerte sind,
die sich zeitlich und r"aumlich gen"ugend langsam "andern.
Dazu geh"oren
1. Auf der globalem Ebene: die Materialeigenschaften von Stoffen,
inklusive den Massen von Atomen, Protonen, Elektronen sowie
Massen und Lebensdauern von instabilen Teilchen, die Spektren
von Atomen und Molek"ulen, etc..
2. Auf der Ebene des lokalen Gleichgewichts: Str"ome, Massendichten
verschiedener Materialien, Druck, Temperatur, mechanische und
elektromagneitsche Spannungsfelder, etc., die approximativ den
hydrodynamischen Gleichungen (Navier-Stokes) gen"ugen und alles
Erwartungswerte von mikroskopischen Operatoren oder daraus mittels
Thermodynamik berechneter Gr"ossen sind.
3. Auf der Ebene der kinetischen Beschreibung (mikrolokales
Gleichgewicht): Phasenraumdichten (Wignerfunktionen), die approximativ
den Boltzmann-Gleichungen oder Vlasov-Gleichungen gen"ugen und alles
Erwartungswerte von Einteilchenoperatoren sind.
4. Auf der molekularen Ebene: Dichtefunktionale, die approximativ den
Hartree-Fock-Gleichungen oder CI-Gleichungen, etc. gen"ugen und
ebenfalls Erwartungswerte von Einteilchenoperatoren sind.
5. Auf noch tieferer Ebene: effektive Feldgleichungen f"ur Atomkerne,
die approximativ den Hartree-Fock-Bogoliubov--Gleichungen gen"ugen
und ebenfalls Erwartungswerte von Einteilchenoperatoren sind.
6. Ausserdem: r"aumliche und zeitliche Korrelationsfunktionen,
die das lineare Antwortverhalten bei Anreungen beschreiben;
auch diese sind Erwartungswerte, diesmal aber von
Zweiteilchenoperatoren.
Nirgends beobachtet man mehr als Erwartungswerte.
Auch die Interferenzmuster auf der Photoplatte sind Erwartungswerte
von Teilchendichtefeldern, und die Klicks im Geigerz"ahler
sind Erwartungswerte von Druckfeldern, die unser Ohr
(oder ein entsprechender Detektor) wahrnimmt, etc.
Auch die Klicks im Geigerz"ahler sind Erwartungswerte von Druckfeldern,
die unser Ohr (oder ein entsprechender Detektor) wahrnimmt, etc.
Die Klicks als irreduzible Messung eines diskreten Zustands eines
einzelnen Mikrosystems aufzufassen ist zwar alte Tradition, aber
h"ochstens indirekt ("uber selbst schon interpretationsbed"urftige
Theorie) gerechtfertigt, und wird in der Thermischen
Interpretation einfach fallengelassen. Sobald man das tut,
verschwinden die Interpretationsprobleme der Quantenmechanik.
Dass die statistische Mechanik Erwartungswerte statistisch
interpretiert, ist rein historisch bedingt, da zur Zeit von Gibbs
noch keine formal in der Masstheorie begr"undete
Wahrscheinlichkeitstheorie existierte. Aber Gibbs, der Begr"under
der statistischen Thermodynamik, war vorsichtiger als die meisten
seiner Epigonen. In seinem Buch
W. Gibbs,
Elementary Principles in Statistical Mechanics,
Yale Univ. Press, 1902
f"uhrt er Ensembles als fiktive, gedachte identische Kopien des
beobachteten Einzelsystems im thermodynamischen Gleichgewicht ein,
um eine Rechtfertigung f"ur seinen 'Missbrauch' der
Wahrscheinlichkeitsrechnung f"ur die Modellierung eines Einzelsystems
zu rechtfertigen:
''Let us imagine a great number of independent systems, identical
in nature, but differing in phase, that is, in their condition with
respect to configuration and velocity.'' (S.5)
''The application of this principle is not limited to cases in
which there is a formal and explicit reference to an ensemble of
systems. Yet the conception of such an ensemble may serve to give
precision to notions of probability.'' (S.17)
Es ist offensichtlich, dass Gibbs anschliessend davon ausgeht,
dass seine Theorie f"ur jede einzelne Messung an einem Material im
thermodynamischen Gleichgewicht gilt. Und die Erfahrung best"atigt
ihn darin.
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S15. Zwei Arten von Erwartungswerten
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Ein h"aufiges Missverst"andnis beruht auf der mehrfachen Bedeutung
des Begriffs 'Erwartungswert'. Mathematisch gesehen ist der
Erwartungswert das Bild eines linearen Operators unter einer
monotonen linearen Abbildung, nicht mehr und nicht weniger.
Welche Interpretation wir dieser monotonen linearen Abbildung geben,
steht uns (wie bei jedem mathematischen Begriff) frei.
Die traditionelle Interpretation bezieht den Begriff auf die Tatsache,
dass der Mittelwert einer Reihe von Messwerten in gleichartigen
(''identisch pr"aparierten'') Szenarien omega_k (k=1:N)
_empirisch = 1/N sum_k f(omega_k) (*)
die Eigenschaften des mathematischen Erwartungswert hat (daher auch der
Name).
Schon die Identifikation dieses empirischen Begriffs
mit dem mathematischen macht aber philosophische Schwierigkeiten,
etwa bei einer Gauss-verteilten Zufallsvariable, weil man nicht genau
sagen kann, wie die formale Variable zu den Messungen steht.
Man stammelt dann etwas von Wahrscheinlichkeit als Grenzwert der
relativen H"aufigkeit (aber nur im Grenzfall unendlich vieler
Messungen, und nur mit Wahrscheinlichkeit 1) und hat schwierigkeiten,
einem endlichen Ensemble eine stetige Verteilung zuzuordnen.
Oder man redet von einem gedachten Endemble aller m"oglichkeiten,
die die Messung h"atte haben k"onnen, um dies zu rationalisieren.
Beides sind Zeichen, dass da etwas faul ist. Schon klassisch!
Ebenso wie zu den Grundlagen der Quantenmechanik gibt es daher
zu den philosophischen Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie
eine ausgedehnte, kontroverse, Literatur!
Sieht man sich dann ein klassisches chaotisches System an, so
hat man einerseits eine deterministische Dynamik, andererseits
ein in der Praxis stochastisches Verhalten. Dieses praktische
stochastische Verhalten "aussert sich darin, dass man mit (*)
zu zuf"allig genommenen Zeiten (die als Szenarien omega_k
fungieren) einigermassen robust reproduzierbare Ergebnisse bekommt,
wenn f eine gen"ugend sch"one Observable ist. (Und nur dann;
man kann beliebig h"assliche Observable bauen...)
Die so erhaltenen statistischen Mittelwerte sind typischerweise
bis auf Fehler der Ordnung O(N^{-1/2} gleich dem durch
= integral dmu f
definierten Erwartungswert, wo mu das invariante Mass des zum
deterministischen Orbit geh"origen Attraktors ist. Dieses Mass
und damit alle sind ebenso objektiv dem System zugeordnet,
wie die deterministische Trajektorie selbst. Die durch dieses
invariante Mass f"ur das klassische _Einzelsystem_ objektiv
festgelegten Erwartungswerte gen"ugen aber genau denselben
Regeln wie der empirische Erwartungswert, in dem man Mittelwerte
aus einem Ensemble von zuf"alligen zeitliche Stichproben bildet.
Die sind also genauso objektive Observable des Einzelsystems
wie die f selbst, nur dass sie zeitlich konstant sind.
Messen lassen sie sich aber nur approximativ, genauso wie die
Trajektorie selbst. Abwer im Unterschied zu den Werten der Trajektorie
sind die _reproduzierbar_ approximativ messbar!
Dasselbe l"asst sich (mit einigen Modifikationen, die ich hier nicht
n"aher er"ortern will) auch im instation"aren Fall machen,
und man bekommt zeitabh"angige objektive Erwartungswerte.
Nat"urlich sind die so 'renormierten' Observablen nicht
dasselbe wie die 'nackten' Observablen x(t), aber beide sind
objektive Eigenschaften des Systems; nur die Vorschriften zur
Messung sind verschieden, da es sich um verschiedene Observable
handelt.
Sieht man sich nun ein klassisches deterministisches, aber
turbulentes System an, etwa hydrodynamische Gleichungen
im turbulenten Bereich, so ist es gar nicht mehr m"oglich,
etwa die Geschwindigkeit v(x,t) zu messen, da die hohen Frequenzen
zwangsl"aufig unaufgel"ost bleiben. Und selbst
bei beliebig hoher aber fixer Aufl"osung ist der Einfluss der
noch h"oheren Frequenzen signifikant. Tats"achlich
ist das Feld, das ein Ingenieur in einer _Einzelmessung_
im Windkanal misst, also stets eine Approximation an den
Erwartungswert einer Zufallsvariable v(x,t),
die den Feldgleichungen gen"ugt. Die in einer Einzelmessung
anfallenden Messwerte sind also Approximationen des
'renormierten' , und _nicht_ die 'nackten',
unbeobachtbaren v(x,t).
Da noch sehr irregul"ar ist und sich kaum vorhersagen
l"asst, ist ein Ingenieur statt dessen an einer mittleren, aber
einigermassen vorhersagbaren grobk"ornigen Geschwindigkeit interessiert,
die er aus dem Mitteln vieler Momentanfelder bekommt:
vbar(x,t) := <>_emp = 1/N sum_k
(mit kleinen Verschiebungen z_k,s_k). Diese mittlere
Geschwindigkeit l"asst sich einigermassen gut durch
Simulationen vorhersagen und ist deshalb praktisch relevant.
Ebenso ist f"ur die Praxis wichtig, Information "uber die Abweichungen
d(x,t) = -vbar(x,t)
zu bekommen. Die ist in den Korrelationen
_emp = 1/N sum_k d(x+z_k,t+s_k)d(x'+z_k,t'+s_k)
und evtl. h"oheren Momenten enthalten. Man sieht also, dass es
_zwei_ stochastische Ebenen gibt, die eine empirische, die
mit den Messungen normale Statistik macht und der traditionellen
Interpretation entspricht, und eine darunterliegende objektive,
in der der Erwartungswert nicht mehr die Bedeutung eines statistischen
Mittelwerts hat, sondern den eines rein mathematisch definierten
Masses, das aus unmessbaren, beliebig hochfrequente Anteile enthaltenden
'nackten' Observablen v(x,t) beobachtbare 'renormierte' Variablen
macht. Das ist genauer beschrieben in:
H Grabert,
Projection Operator Techniques in Nonequilibrium
Statistical Mechanics,
Springer Tracts in Modern Physics, 1982.
Eine andere hierzu relevante, h"aufig zitierte Arbeit (die statt
Projejtionsoperatoren aus der Quantenfeldteorie entliehene
Diagrammtechniken verwendet) ist:
PC Martin, ED Siggia, HA Rose,
Statistical Dynamics of Classical Systems,
Phys. Rev. A 8, 423-437 (1973).
Interessanterweise (und daher leider die traditionelle Verwechslung
nahelegend) haben beide Formen des Erwartungswerts genau dieselben
mathematischen Eigenschaften, obwohl sie grundlegend verschiedene
Dinge ausdr"ucken. Turbulente klassische Systeme haben eben keine
nackten Observablen mehr (die sind dort genauso ill-defined wie
in der Quantenfeldtheorie), sondern nur noch die renormierten.
Aber um die Dynamik zu beschreiben und mit dem Experiment zu
korrelieren, braucht man beide. F"ur Hintergrundmaterial: z.B.
"turbulence renormalization" in http://scholar.google.com/
Diese Situation entspricht nun schon fast vollkommen der der
Quantenmechanik. Der _einzige_ Unterschied ist der, dass in der
Quantenmechanik die nackten Observablen aufh"oren, klassisch
zu kommutieren, und zu Operatoren im Hilbertraum mutieren.
Und in der relativistischen Quantenfeldtheorie kommt noch
dazu, dass der Einfluss der unmessbar hohen Frequenzen in
einem gewissen Sinn unendlich gross ist, so dass selbst
das Renormierungsproblem schon zu erheblichen Schwierigkeiten
f"uhrt.
Ich hoffe, damit deutlich gemacht zu haben, in welchem Sinn
die Thermische Interpretation zu verstehen ist.
Die objektiven Gr"ossen sind die renormierten Erwartungswerte
der nackten Feld-Operatoren f, in vollst"andiger Analogie
zur oben geschilderten klassischen Situation.
Gewisse makroskopische Operatoren S(omega) des Messapparats
haben renormierte Werte , die mit Eigenschaften
wie dem Spin eines einzelnen Teilchens im Experiment omega
korrelieren, und werden daher als Pointervariablen benutzt.
Macht man nun eine messung N mal in zuf"alligen,
unabh"angigen Experimenten omega_k, ist die Verteilung
der im Prinzip messbaren renormierten
(und _nicht_, wie die Kopenhagen-Interpretation behauptet,
die Verteilung irgendwelcher angeblich durch zuf"allige
Zustandsreduktion entstehender Eigenwerte des Teilchens
im Experiment omega_k) ungef"ahr die, die man bekommt,
wenn man statt der Messwerte im Detektor die aus dem
pr"aparierten Einteilchenzustand resultierende Verteilung
gem"ass der Bornschen Regel zugrundelegt.
Dies ist der nichttriviale Punkt, f"ur dessen Demonstration
man den Projektionsoperatorformalismus der statistischen
Mechanik braucht.
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S16. Thermische und Kopenhagen-Interpretation
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Die Kopenhagener Interpretation fordert nach Bohr
''die Grenzziehung zwischen einem zu untersuchenden Quantensystem
und der klassisch zu beschreibenden Meßapparatur''
http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/epr/node4.html
Klassisch beschrieben bedeutet: makroskopisch, mit Mitteln
der Thermodynamik, beschreiben. Die einzigen thermodynamischen
Gr"ossen, die es gibt, sind laut statistischer Mechanik
Erwartungswerte von langsam ver"anderlichen mikroskopischen
Operatoren.
_Diese_ Erwartungswerte (z.B. der mittlere Ort einer Zeigerspitze)
werden also in einem Experiment gemessen, und daraus werden
R"uckschl"usse "uber die Eigenschaften des damit gekoppelten
Quantensystems deduzuert.
Alles, was die Thermische Interpretation tut,
ist, diese Forderung der Kopenhagener Interpretation konsistent
weiterzudenken, um die Spaltung der Welt in klassische Objekte
und Quantenobjekte zu "uberwinden.
Die Wahrscheinlichkeitsstruktur ergibt sich dabei aus der
deterministischen Dynamik des Universums durch Reduktion der
Komplexit"at auf die f"ur ein Modell relevanten Gr"ossen.
Dies geschieht mittels traditioneller Instrumente der
statistischen Mechanik (Projektionsoperator-Formalismus)
auf analoge Weise, wie sich die stochastische Brownsche Bewegung
f"ur ein Kolloid-Teilchen in einer klassischen Fl"ussigkeit
aus der deterministischen Hamiltonschen Vielteilchendynamik
ergibt.
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S17. Warum ist niemand vor mir darauf gekommen?
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Versuche, die Quantenmechanik als eine deterministische Theorie
des gesamten Universums zu verstehen, gab es sicher viele;
allerdings nur wenige in wissenschaftlich publizierter Form.
Die Schwierigkeit liegt darin, aus philosophischen "Uberlegungen
ein quantitatives Konzept zu machen, mit dem die Bornsche Regel
abgeleitet und die traditionellen Gegenargumente (insbesondere von
Wigner) "uberzeugend ausser Kraft setzt.
Die beiden wichtigsten Alternativen (Bohm, Vielwelten)
haben aber ihre eigenen gravierenden Probleme und haben sich
deshalb nicht durchgesetzt.
In Bohms Interpretation ist vieles gegenintuitiv;
z.B.ist das Elektron eines Wasserstoffatoms im Grundzustand an einem
fixen Ort (relativ zum Atomkern) lokalisiert und bewegt
sich nicht von der Stelle! Daher wird diese Interpretation nur von
einer Minderheit akzeptiert. Siehe auch
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/papers/physpapers.html#bohm
In der Vielwelteninterpretation werden eine Vielzahl prinzipiell
unbeobachtabarer Alternativwelten postuliert, und der
Wahrscheinlichkeitsbegriff verliert seine traditionelle Bedeutung in
der einen, tats"achlich beobachteten Welt. Daher ist auch diese
Interpretation sehr umstritten. Siehe auch
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/papers/physpapers.html#manyworlds
Das Neue an der Thermischen Interpretation ist die
Identifikation der beobachtbaren Gr"ossen mit den langsam
ver"anderlichen Erwartungswerten mikroskopischer Gr"ossen,
im Sinne der statistischen Mechanik, statt diesen Erwartungswerten
einen statistischen Sinn zu unterlegen. Dies ergibt einen klaren
und intuitiven hintergrund, auf dem sich eine widerspruchsfreie
Begr"undung der Wahrscheinlichkeitsstruktur aufbauen l"asst.
In seinem Buch 'Direction of Physics' schreibt Dirac (1975) auf S.10:
''And I think it is quite likely that at some future time we may
get an improved quantum mechanics in which there will be a return to
determinism and which will, therefore, justify the Einstein point of
view.''
(Damit meinte er _nicht_ die Bohmsche Mechanik, denn die lag schon
in der Vergangenheit, hat ihn also offensichtlich nicht "uberzeugt.)
''But such a return to determinism could only be made at the expense
of giving up some other basic idea which we now assume without
question.''
Was man aufgeben muss, ist die bisher fraglos akzeptierte
Interpretation des Erwartungswerts als _statistischen_ Begriff.
(Dirac bezieht sich allerdings ausserdem auf Renormierungsprobleme
in der Quantenfeldtheorie, die dadurch noch nicht behoben sind,
aber vielleicht in einem neuen Licht erscheinen; vgl. die
Bemerkungen zur Renormierung im Abschnitt ''Zwei Arten von
Erwartungswerten''.)
Es gibt einige leise Andeutungen einiger Autoren, die,
wenn sie weiter in diese Richtung gedacht h"atten,
wahrscheinlich auf dieselbe Interpretation gekommen w"aren:
''In a statistical description of nature only expectation values
of correlations are observable.''
(Christof Wetterich, 1997, in hep-th/9703006)
Wetterich http://www.thphys.uni-heidelberg.de/~wetteric/
ist einer der heutigen Experten f"ur Quantenfeldtheorie im
Nichtgleichgewicht und die zugeh"orige Renormierungstheorie,
mit numerisch eindrucksvollen Rechnungen, die mit dem Experiment
verglichen werden k"onnen.
''the only reasonable interpretation of the variables p and q is
as mean values rather than truly sharp values since we live in
a world where hbar is nonzero.''
(John Klauder 2001, in: quant-ph/0112010)
''One is almost tempted to assert that the usual interpretation in
terms of sharp eigenvalues is 'wrong', because it cannot be
consistently maintained, while the interpretation in terms of
expectation values is 'right', because it can be consistently
maintained.''
(John Klauder 1997, in: quant-ph/9710029)
Klauder http://www.phys.ufl.edu/~klauder/
ist einer der Physiker, der das Modellieren mit
koh"arenten Zust"anden in der Quantenoptik durchgesetzt hat.
Der von Klauder erw"ahnten Versuchung nachzugeben ist allerdings
zun"achst ein riskantes Abenteuer, da man zun"achst damit allein
auf weiter Flur steht. Wenn man es aber eingeht, wird man reich
daf"ur belohnt...
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S20. Der Messprozess im Quantenuniversum
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Die traditionelle Interpretation der Quantenmechanik
teilt die Welt in kleine Quantensysteme und grosse
Messapparaturen auf, und beschr"ankt sich darauf,
statistische Aussagen "uber die dann gemessenen Ergebnisse
zu diskutieren.
Andrerseits herrscht ein Konsens, dass die Quantenmechanik
f"ur das gesamte Universum gelten sollte. (Sonst w"are z.B.
die Suche nach eine Quantengravitationstheorie m"ussig.)
Dann ist das gesamte Universum also ein Quantensystem,
und die traditionelle Interpretation ist nicht mehr anwendbar.
Offensichtlich vermessen wir aber das Universum, also
braucht man eine verbesserte Theorie des Messprozesses.
Der Messapparat ist hier, anders als sonst, ein Teil des vermessenen
Systems. Man muss also den traditionellen Formalismus etwas
verallgemeinern oder modifizieren.
Das hat dazu gef"uhrt, dass eine Reihe von Alternativen
diskutiert werden (Vielweltentheorie, Dekoh"arenz,
Konsistente-Geschichte-Theorie, usw.), die aber alle ihre Haken haben
und die ich deshalb hier nicht bespreche. Meine Meinung dazu
findet man in
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/manyworlds.txt
http://www.mat.univie.ac.at/~neum/zeh.txt
Statt dessen diskutiere ich hier meine eigene Interpretation.
In Kurzfassung sagt die Thermische Interpretation
"uber Messen im Universum das Folgende:
Das Universum ist das einzige abgeschlossene System, das es in
unserer N"ahe gibt. Es ist unm"oglich, daf"ur zu sorgen, dass
aus einem System keine Photonen entweichen, kein Energieaustausch
mit dem Gef"ass stattfindet, usw. Genau diese Dinge aber sorgen
daf"ur, dass man das System nicht mehr als deterministisch
betrachten kann, weil die Einfl"usse von aussen unkontrolliert
sind. (Auch wenn das auf den ersten Blick vernachl"assigbar erscheint,
ist es das nur, wenn man makroskopische Ph"anomene untersucht.
Mikroskopische Ph"anomene h"angen extrem empfindlich von ihrer
Umgebung ab. Das wird genauer diskutiert in der Literatur "uber
Dekoh"arenz.)
Da das Universum abgeschlossen ist, gen"ugt es einer
deterministischen Dynamik.
Da wir stets nur einen kleinen Ausschnitt des Universums pr"aparieren,
wenn wir Versuche machen, diese dann aber so beschreiben als w"aren
sie isoliert in der Welt, ist es kein Wunder, dass wir anscheinend
unerkl"arliche Zuf"alligkeiten beobachten. Das ist einfach eine
Begleiterscheinung unserer Begrenztheit und der traditionell
schlampigen Argumentationsweise.
Sobald man n"amlich nur ein Teilsystem eines beliebigen
deterministischen Systems betrachtet, verliert man n"amlich Information
und kann das Teilsystem daher nur noch stochastisch beschreiben.
Die praktisch beobachteten Ph"anomene lassen sich mit Diffusions-
und Sprungprozessen modellieren, die sich aus der deterministischen
Dynamik mit Hilfe des Projektionsformalismus der
statistischen Mechanik herleiten lassen (rigoros allerdings nur
unter sehr einschr"ankenden Voraussetzungen).
Dies gilt nat"urlich ebenso f"ur Teilsysteme des Universums,
und erkl"art damit den Zufall vollst"andig.
Wenn man den Zustand des Universums also exakt kennen würde,
würde man alles, was man messen kann, auch vorhersagen können.
Dass Messwerte trotzdem nicht hundertprozentig sicher sind,
ist also nicht eine Folge eines irreduziblen Quantenzufalls,
sondern eine Folge der Tatsache, dass man mit einem Vielteilchensystem
Eigenschaften eines anderen misst.
Unsichere Messergebnisse und irreduzibler Quantenzufall
haben nicht notwendig etwas miteinander zu tun.
Denn Messwerte sind auch klassisch schon unsicher,
wenn man mit einem Vielteilchesystem ein anderes misst.
Und das trotz klassischer determiniertheit aller
Ereignisse (inklusive Messwerte) durch den Zustand des
Universums.
Die Thermische Interpretation postuliert nun eine
deterministische Dynamik f"ur das Universum als Ganzes, und
deduziert daraus eine approximative stochastische Dynamik
f"ur jedes Teilsystem.
Die Thermische Interpretation stellt also (nur)
den Determinismus wieder her. Die Unsicherheit der Messung
wird nicht vermieden, aber wieder auf das vor 1900 herrschende,
philosophisch unproblematische Mass zur"uckgef"uhrt.
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S21. Das Quantenuniversum als formales Modell
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Die deterministische Dynamik des Universums ist im Schr"odingerbild
durch die von-Neumann-Gleichung und im Heisenbergbild durch die
Heisenberggleichung gegeben. Das Heisenbergbild ist das
vollst"andigere, weil es uns erlaubt, Zeitkorrelationen zu
modellieren und sich ausserdem leicht relativistisch verallgemeinern
l"asst.
In dieser Diskussion gehen wir aber stets von einem
nichtrelativistischen Universum aus und verwenden das Schr"odingerbild,
um die Dinge zu vereinfachen. Der Zustand des Universums wird hier also
durch ein zeitabh"angiges Ensemble modelliert.
In der Thermischen Interpretation ist das Universum als
Ganzes klassisch deterministisch und hat eine klassische Hamiltonsche
Beschreibung (symplektisch, wenn man annimmt, der Zustand des
Universums sei rein, Poissonsch im Allgemeinfall.
Um Schreibarbeit beim Umgang mit Poissonklammern (vor allem auf dem
Papier - ich habe Tausende von solchen Klammern geschrieben...)
zu ersparen, habe ich mir die einfache Bezeichnung
f \lp g = {g,f}
erfunden. \lp ist ein Symbol, da wie ein um 180 Grad gedrehtes L
aussieht (aber mit gleichlangen Schenkeln, siehe (37) in [EECQ})
und 'Lie' zu lesen ist. In LaTeX sieht das entsprechende Macro
so aus:
\def\lp{\mbox{\Large$\,_\urcorner\,$}}
Die Poissonklammer erscheint so als bin"are Operation. Wir nennen
f \lp g das Lie-Produkt von f und g. Es ist bilinear in den Argumenten
und hat die Eigenschaften
f \lp f = 0,
f \lp g = - g \lp f
f \lp gh = (f \lp g)h + g(f \lp h) (Leibniz)
f \lp (g \lp h) = (f \lp g) \lp h + g \lp (f \lp h) (Jacobi)
und zwei analoge gespiegelte Formeln, die sich aus f \lp g = - g \lp f
ergeben.
Die Gr"ossen in der Thermischen Interpretation sind
Elemente f einer fixen Algebra E von Operatoren auf einem dichten
Teilraums eines universellen Hilbertraum.
Typische Gr"ossen sind z.B. Integrale
f = integral dx^3 a*(x) c(x,Nabla x) a(x)
wobei a(x) ein Quantenfeld ist und c(x,Nabla x) ein
Differentialoperator, Linearkombinationen von Produkten solcher
Funktionen, sowie Verallgemeinerungen davon.
Die deterministische Differentialgleichung f"ur den Wert =_t
der Gr"osse f an der Stelle t (wir unterdr"ucken im folgenden das
Zeitargument, wenn nicht unbedingt n"otig) ist nun eine klassischen
Hamiltonschen Dynamik der Form
d/dt = \lp , (*)
wobei H der Hamiltonoperator des Universums, eine spezielle,
selbstadjungierte Gr"osse, ist und
\lp :=
(wie man unschwer nachrechnet) eine klassische Lie-Poissonklammer
im Raum der glatten Funktionen
F(,...,) (**)
mit beliebigen definiert.
Im Einklang mit der quantenmechanischen Tradition setzen wir voraus,
dass Ensembles 'normal' sind, sich also durch Dichtematrizen
beschreiben lassen. Wir beschreiben den Zustand des Universums zum
Zeitpunkt t also durch eine Dichtematrix rho(t), einen Hermitischen,
semidefiniten Spurklasseoperator mit Spur 1. (Ob der Zustand rein
ist, l"asst sich nicht entscheiden, da der uns zug"angliche Teil des
Universums klein ist und die Projektion darauf schon die Reinheit
verdirbt.)
Die universelle Dichtematrix rho(t) bestimmt das
Universalensemble durch die Vorschrift
_t := trace rho(t) f
f"ur den objektiven Wert jeder Gr"osse f zum Zeitpunkt t.
Im Prinzip beobachtbar sind davon die gen"ugend langsam zeitlich
und r"aumlich ver"anderlichen Gr"ossen; alle anderen sind 'verborgen',
d.h. der Messung unzug"anglich.
Alle in der Praxis aus Rohmessungen berechneten Messwerte haben die
Form (**), wenn man von m"oglichen Stellen absieht, wo die
Rechenvorschrift nicht differenzierbar ist. Allerdings sind die auf
der rechten Seite von (*) auftretenden Ausdr"ucke in der Regel keine
direkt messbaren Variablen mehr, sondern enthalten 'verborgene'
Korrelationen. Das macht die klassische Dynamik nichtlokal und
produziert Quanteneffekte.
Mit ein bisschen "Uberlegung findet man nun auch wirklich heraus,
dass (*) nichts anderes ist als die traditionelle von-Neumann Dynamik
f"ur den Dichteoperator, nur ausgedr"uckt durch die Variablen
der Thermischen Interpretation. Daraus folgt die
vollst"andige Konsistenz der Thermischen Interpretation
mit dem quantenmechanischen Formalismus.
------------------------
S22. Ein Modelluniversum
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In der Thermischen Interpretation ist das Universum
durch drei mathematische Objekte festgelegt:
1. eine fixe Algebra E von Operatoren auf einem dichten Teilraums
eines universellen Hilbertraum,
2. einem selbstadjungierten universellen Hamiltonoperator H
aus dieser Algebra,
3. einem normalen Zustand rho auf dieser Algebra.
F"ur das reale Universum ist die Algebra E der Gr"ossen von den
Feldern des Standardmodells zusammen mit der Raumzeitmetrik
erzeugt, und der Hamiltonoperator der aus der zugeh"origen
Wirkung kanonisch hergeleitete. Der Zustand des Universums ist
hingegen weitgehend unbekannt, da eine Kenntnis desselben
im Rahmen der Thermischen Interpretation die Kenntnis
aller Werte s"amtlicher Felder und Korrelationsfunktionen beliebiger
Ordnung an allen Orten und zu jeder Zeit impliziert.
Dagegen sind die Zust"ande vieler Teilsysteme einigermassen bekannt,
insbesonders derer, mit denen Physiker experimentieren.
Wegen der bisher ungel"osten Probleme der Quantengravitation
und der Schwierigkeiten, aus dem Standardmodell Aussagen "uber
makroskopische Detektoren abzuleiten, eignet sich dieses voll
realistische Modell allerdings nicht f"ur die konkrete Analyse
eines realen Messprozesses.
Damit man sich unter dem abstrakten Universumbegriff aber etwas
konkretes vorstellen kann, sei hier ein Beispiel eines
Modelluniversums gegeben, das einfach genug ist, um es leicht
zu spezifizieren und doch wichtige Aspekte des realen Universums
wiedergibt. Wie beim realen Universum spezifizieren wir die
Algebra E der Gr"ossen und den Hamiltonoperator H, lassen aber
den Zustand rho offen und betrachten h"ochstens die dadurch
induzierten Zust"ande auf Teilsystemen (siehe den Abschnitt
''Physikalische Systeme und ihre Messung''),
soweit sie f"ur ein Experiment relevant sind.
Wir betrachten dazu ein nichtrelativistisches Modelluniversum,
dessen Materie aus einer unbestimmten Zahl von
elementaren Kernen mit Masse m_l, Spin s_l und Ladung eZ_l
(l=1,...L, Z_l>0 ganz) sowie
Elektronen mit Masse m_0, Spin 1/2 und Ladung eZ_0 (Z_0=-1)
besteht. Die Teilchen jeder Sorte sind ununterscheidbar.
Zugeh"orige Basisgr"ossen sind ausser Massen, Ladungen und
(f"ur Elektronen) Paulimatrizen die 3-dimensionalen Ortskoordinaten
x^a und die zugeh"origen Impulse p^a, je einer pro Teilchen a,
mit den "ublichen Kommutatorrelationen.
Ausserdem enth"alt das Modelluniversum Strahlung, ausschliesslich
in Form einer unbestimmten Zahl von
Photonen, Bosonen mit Masse 0, Spin 0 und Ladung 0
und einer Frequenz im sichtbaren Bereich, also mit 3-dimensionalen
Wellenvektoren k mit Frequenz omega=|k| aus einer Oktave in diesem
Frequenzband entspricht. Zugeh"orige Basisgr"ossen sind die
Strahlungsenergie H_rad := integral dk |k| a^*(k)a(k)
und f"ur jedes Teilchen a ein
Strahlungspotential U^a := g integral dk a(k) exp(ik dot x^a).
Dabei gehen die Integrale "uber die Kugelschale
K = {k | |k| in ]1,2[}
die a(k) sind Vernichteroperatoren und die a^*(k) die
dazu adjungierten Erzeugeroperatoren mit den "ublichen
Kommutatorrelationen.
(Die Einheiten sind so gew"ahlt, dass c=hbar=1 und die Frequenz
des unteren Randes des Strahlungsspektrums 1 ist.)
Die Algebra der Gr"ossen ist die von den Basisgr"ossen und allen
Schwarzfunktionen in den x^a erzeugte Algebra von linearen
Operatoren auf dem Raum
\H = \H_matter tensor \H_rad,
wobei \H_matter aus dem Nullraum des Ladungsoperators
Q = sum_l=0^L a_l^*(x) Z_l a_l(x)
im Fockraum "uber dem Raum der Schwarzfunktionen
im R^3 (mit der dem jeweiligen Spin entsprechenden Statistik) ist
und \H_rad der Fockraum "uber dem Raum der Schwarzfunktionen auf K..
Den Hamiltonoperator des Universums setzen wir an als
H = H_\matter + H_rad + g sum_a (U^a+(U^a)^*)
mit einer Kopplungskonstante g. Dabei ist H_matter
der Hamiltonoperator der Materie, gegeben durch die traditionelle
Formel mit der Coulomb-Wechselwirkung.
Das Modelluniversum ist translations und rotationsinvariant,
und Streuprobleme lassen sich mit den traditionellen Formeln
ohne Infrarot- oder Ultraviolettprobleme l"osen.
Es gibt
Atome, Molek"ule, chemische Reaktionen und Molek"ulspektren,
keine Radioaktivit"at oder Kernreaktionen,
kein polarisiertes Licht,
keine Gravitation,
keine mikroskopischen Felder,
jedoch erzeugt die Coulomb-Wechselwirkung makroskopische
elektromagnetische Felder.
Damit ist ein Grossteil der realen Wirklichkeit qualitativ
pr"asent, ohne dass die typischen Schwierigkeiten der
Quantenfeldtheorie und der Eichtheorie auftreten.
Insbesondere ist die gesamte Chemie des Universums
(mit Ausnahme von Laserchemie) reproduzierbar,
ebenso die gesamte Str"omungsmechanik, die geometrische Optik
und fast die gesamte Festk"orperphysik. Das hat zur Folge, dass
sich alle mechanischen oder hydraulischen Messger"ate,
und die meisten optischen und elektrischen modellieren lassen.
Insbesondere lassen sich fotographisch aufgezeichnete Versuche
mit Blenden und Bildschirmen, wie das Doppelspaltexperiment,
mit Licht und Photodetektoren, sowie Versuche mit Magneten,
wie das Stern-Gerlach-Experiment in unserem Modelluniversum
durchf"uhren.
Vorausgesetzt, es gibt darin Physiker, die die Experimente
durchf"uhren. Dies aus einem mikroskopischen Modell abzuleiten,
"ubersteigt die M"oglichkeiten gegenw"artiger Physik,
so dass dies ohne Beweis angenommen wird. W"ahrend der
Durchf"uhrung des Versuchs sind Physiker entbehrlich; ihre
Rolle beschr"ankt sich auf Pr"aparation des Experiments und
das sp"atere Anschauen von Fotographien. Wir werden daher
Physiker stets als Teil der irrelevanten Umgebung des Experiments
betrachten. Damit ist keine Herabsetzung der Zunft der
experimentellen Physiker, die f"ur all unser Detailwissen
"uber das Universum verantwortlich sind, beabsichtigt.
In unserem vereinfachten Modell des Universums bedeutet also
Pr"aparation eines Experimentes einfach die Behauptung (Annahme),
es g"abe im Modelluniversum ein physikalisches System in einem
Anfangszustand mit den f"ur die vollst"andige Beschreibung
des Experiments notwendigen Eigenschaften. Die Aufgabe der
Analyse ist es, die daraus resultierenden Beobachtungen zu
erkl"aren.
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S23. Physikalische Systeme und ihre Messung
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In der Thermischen Interpretation ist ein
physikalisches System S definiert durch eine Algebra E_S
von zugeh"origen Gr"ossen, auf der eine Spur trace_S mit der
Eigenschaft
trace_S fg = trace_S gf
definiert ist. Typische Beispiele sind die Algebra der Operatoren
auf einem kleinen Teilhilbertraum des universellen Hilbertraums
(das gibt das traditionelle kleine Quantensystem),
oder Algebren die von gewissen Integralen der Form
f = integral dx^3 a*(x) c(x,Nabla x) a(x)
erzeugt werden, wo c(x,Nabla x) nur am (mehr oder weniger ausgedehnten)
physikalischen Ort des Systems wesentlich von Null verschieden ist
(das gibt klassische Subsysteme auf der hydrodynamischen Ebene).
Ein physikalisches System S hat zur Zeit t die objektiven
Werte _t f"ur alle f in E_S, wo <.>_t
das universelle Ensemble ist.
Diese objektiven Eigenschaften lassen sich vollst"andig
durch die reduzierte Dichtematrix rho_S(t) in E_S beschreiben,
die durch
_t = trace_S rho_S(t) f f"ur alle f in E_S
und den Zustand des Universums vollkommen festgelegt.
Es ist, nebenbei bemerkt, extrem unwahrscheinlich,
dass der Zustand rho_S(t) rein ist, ausser man beschr"ankt die Algebra
der Gr"ossen auf eine niedrigdimensionale Matrixalgebra
(also z.B. 8-dimensional f"ur ein System von drei Spinvariablen)
und pr"apariert den Zustand sorgf"altig.
Um der Bezeichnung 'objektiv' gerecht zu werden, muss gekl"art werden,
wie man sie misst. Der Wert _t einer Gr"osse f des physikalisches
System S ist im Prinzip beobachtbar, falls er sich zeitlich und
r"aumlich nicht zu schnell "andert und falls das System langlebig
genug ist, die Messung vorzunehmen. Um _t zu messen,
braucht man ein makroskopisches Ger"at (d.h. Vielteilchensystem,
durch statistische Mechanik beschrieben), das so mit dem System
gekoppelt ist,
1. dass die durch die Kopplung entstehende Dynamik den zu messenden
Wert nicht verdirbt (sonst misst man zwar etwas, aber nicht
das Gew"unschte), und
2. dass es eine makroskopische Pointervariable x besitzt, von der die
Theorie zeigen kann, dass die Kopplung impliziert, dass
nach gen"ugender Wartezeit ein Gleichgewichtszustand erreicht
ist, f"ur den (im einfachsten Fall) =K mit einer
bekannten Konstante K gilt. Dann kann man n"amlich
aus der Beobachtung von ausrechnen: =/K.
Ist das der Fall, so sagt man, man habe gemessen.
Das ist eine pr"azise Definition des Messprozesses, die es
- anders als in allen bisherigen Interpretationen der Quantenmechanik -
erlaubt, den Messprozess auf der Basis des zugrundegelegten Modells
allein zu analysieren, insbesondere ohne Annahmen "uber
Wahrscheinlichkeiten, Kollaps, oder "ahnliches.
Im Allgemeinen gibt es bei 1. und/oder 2. gewisse Probleme,
das auf Grund der Dynamik des Vielteilchenquantensystems
(was die einzige erlaubte Basis f"ur das Vorgehen in 2. ist)
sicherzustellen, und als Folge davon kann man in der
Regel nur approximativ bestimmen. Wenn man genauer rechnet,
wird man feststellen, dass man zwar ein einzelnes im Prinzip
gen"ugend genau bestimmen kann. Aber f"ur ein Paar
komplement"arer Variablen (Ort und Impuls, oder Spin in
unterschiedliche Richtungen) ist die gleichzeitige
Messgenauigkeit grunds"atzlich durch eine Unsch"arferelation
beschr"ankt; siehe Section 3 in [EECQ].
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S24. Vorhersage im Stern-Gerlach Experiment
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Kennt man den Zustand des Universums vollst"andig,
so kann man laut Thermischer Interpretation
alle Einzelmessungen vorhersagen.
Insbesondere sollte man also den Ort, wo Teilchen in einem
Stern-Gerlach Experiment auftreffen, vorhersagen k"onnen.
Da wir den Zustand in Wirklichkeit nicht kennen, ist das
nat"urlich eine m"ussige "Uberlegung, aber es geht ja ums Prinzip.
Wir arbeiten dazu im Schr"odingerbild, und bezeichnen den
Zustand des Universums zum Zeitpunkt t mit rho(t).
Das ist eine Dichtematrix, ein Operator auf dem Hilbertraum
des Universums. Sie bestimmt das Universalensemble durch die
Vorschrift
_t := trace rho(t) f
f"ur den objektiven Wert jeder beobachtbaren (gen"ugend langsam
zeitlich und r"aumlich ver"anderlichen) Gr"osse f.
Im klassische Stern-Gerlach Experiment gehen
Silberatome an einem Magneten vorbei und werden anschliessend
auf einem Detektor aufgefangen. Die Verteilung des Silbers
auf dem Detektor ist dann durch ein Feld S(x) gegeben,
das man mittels Quantenfeldoperatoren im Prinzip
hinschreiben kann.
Da dieses Feld in der f"ur den Versuch relevanten Aufl"osung
makroskopisch ist, kann man lokales Gleichgewicht voraussetzen
und erhalte (gem"ass statistischer Mechanik im lokalen
Gleichgewicht, wie sie in vielen B"uchern beschrieben wird)
als (bis auf eine gewisse Genauigkeit) beobachtbare
Silberverteilung
S(x,t) := _t = trace rho(t) S(x).
Was man messen kann, ist also offensichtlich durch den Zustand
des Universums bestimmt. Wenn Gott
1. diesen Zustand zum Zeitpunkt t=0 kennt,
2. den Hamiltonoperator des Universums kennt, und
3. die von-Neumann-Gleichung l"osen kann,
kann er damit rho(t) ausrechnen und daher die beobachtbare
Silberverteilung zu jedem Zeitpunkt vorhersagen.
Wenn man etwas genauer modelliert, und ausserdem die Quantenquelle
samt Magneten mit einbezieht, findet man, dass S(x,t)
einem Sprung-Diffusionsprozess gen"ugt, der mit den
zuf"alligen Einzelbeobachtungen und der vorhersagbaren
Verteilung (n"amlich zwei Flecken, die den beiden
Spin-Eigenwerten entsprechen) gut "ubereinstimmt.
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S25. Was passiert einzelnen Photonen am Doppelspalt?
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Das einzelne Photon ist in meiner Interpretation nicht
messbar, es hat keine zugeh"orige Beobachtungsgr"osse.
Photonen sind ununterscheidbar, man kann also nicht sagen,
wo ein bestimmte Photon ist. Was existiert, ist die
Photonendichte. Die dr"uckt sich sozusagen wie ein "Ol
durch den Doppelspalt, und bildet nach den Regeln der
Quantenmechanik ein Interferenzmuster in der Dichte aus.
(Vergleich als Bild nehmen und nicht allzu w"ortlich!)
Beim Auftreffen auf dem Schirm sorgt die nichtlokale Dynamik
daf"ur, dass von Zeit zu Zeit proportional zur Photonendichte
ein Elektron in einen angeregten Zustand versetzt wird,
eine chemische Reaktion stattfindet, oder was immer als
Detektionsmechanismus gerade relevant ist. Dass dies
stochastisch geschieht, liegt daran, dass das Experiment
hochempfindlich auf den Rest des Universums reagiert.
Wie man dieses stochastische Verhalten auf der formalen Ebene
beg"unden kann, wird im FAQ im Abschnitt
''Wie erkl"art sich der Zufall?'' abgehandet. Das ist allerdings
etwas technischer und erfordert fortgeschrittene Techniken
der statistischen Mechanik.
V.B. Braginsky and F.Ya. Khalili,
Quantum measurement,
Cambridge Univ. Press, Cambridge 1992
ist ein ausgezeichnetes Buch "uber _reale_ Quantenmessprozesse,
die sich eng an moderne Quantenoptikexperimente anlehnen, und nichts
von der von-Neumann-Karikatur einer Quantenmessung haben.
Auf S.3 unten schreiben sie:
''Experiments on the interference and diffraction of light,
when performed with very low intensities, revealed further that an
interference pattern (a classical, pure wave effect) shows up on
a photographic plate only when the number of photons falling on
the plate is very large. Each photon in such an experiment
is _completely_destroyed_ [original italic] (ceases to exist)
by interacting with the plate's silver chloride molecules.
When the photon is destoyed there appears somewhere on the
photographic plate an atom of free silver, which acts as an
embryo from which, by photographic developing, a small seed
of silver will grow. The silver embryo is much smaller than
an electromagnetic wavelength.
This is remarkable. In the interference process (e.g. in
the two-slit experiment of Fig. 1.1), [standard picture] the
photon must have been influenced by the locations of both slits,
since the interference pattern depends on the distance between
them. This means that the photon must have occupied a volume larger
than the slit separation. On the other hand, when it fell on the
photographic plate, the photon must have been localized into the
tiny volume of the silver embryo. Later the terms 'collapse of
the wave function' and 'reduction of the wave packet' were used
to describe such localization.''
Im Einklang mit der Thermischen Interpretation
schreiben sie einem Photon im Doppelspaltexperiment ein Volumen zu,
das gr"osser ist als der Abstand der beiden Spalte.
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S26. Der Quantenradierer in der Thermischen Interpretation
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(F"ur den Hintergrund des Experiments siehe
http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/qradierer/qradierer.html
wo der experimentelle Rahmen und seine statistische Interpretation
ausf"uhrlich diskutiert wird.)
Ein elektromagnetisches Quantenfeld wird von der Quelle erzeugt.
Bis zum Spalt ist die (im Prinzip messbare) Feldst"arke
auf eine kleine Umgebung eines Strahls konzentriert.
Nach dem Passieren des Filters ist die Feldst"arke (in der
Schnittebene senkrecht zu den Spalten) die zweier Kugelwellen.
Hinter dem lambda/4-Pl"attchen ist die Feldst"arke auch noch die
eines Sektors der zwei Kugeklwellen, aber in den beiden H"alften
sind beide Kugelwellen unterschiedlich polarisiert (gibt insgesamt
6 F"alle: Jede Kugelwelle kann L- R- oder un-polarisiert sein, je
nachdem, an welchem Ort.
All das kann man objektiv nachpr"ufen, indem man einen Detektor an die
zu pr"ufende Raumstelle stellt und eine gen"ugen lange Statistik macht.
Die Detektoren messen die jeweilige Intensit"at, da diese proportional
zum statistischen Mittel der Entladungen ist. Die Polarisationsrichtung
kann man auch messen, indem man vor den Detektor noch ein
Polarisationsfilter stellt.
Benutzt man nun (durch parametrische Downkonversion erzeugte)
verschr"ankte Photonenpaare, ist die Situation
ein bisschen komplizierter, da das System nun durch lokale
Gr"ossen nicht mehr hinreichend gut beschrieben ist.
Aber die Thermische Interpretation kennt nichtlokale
Gr"ossen: Paarkorrelationen von elektromagnetischen Feldern.
Diese spielen auch schon klassisch eine wichtige Rolle, wo sie
ben"otigt werden, Polarisationsph"anomene klassisch zu beschreiben.
Siehe etwa
L. Mandel and E. Wolf,
Optical Coherence and Quantum Optics,
Cambridge University Press, 1995.
Um Paarkorrelationen zu messen, braucht man zwei an unterschiedlichen
Orten aufgestellte Detektoren. (Darin besteht die Nichtlokalit"at.)
Ebenso wie bei der Vermessung der Feldst"arke im einfachen Experiment
kann man sich davon "uberzeugen, dass die Paarkorrelationen objektive
Eigenschaften des Quantenfelds sind. (Die Messzeiten, um genaue
Messergebnisse zu bekommen, sind allerdings erheblich h"oher.)
Die Messung an den im Experiment fest aufgestellten Detektoren
unterscheidet sich nicht von der Messung an beliebigen Stellen.
Es sind imperfekte Messungen der Intensit"at bzw. der
Paarkorrelationen, die wegen der Quantenstruktur der Detektoren
ein erratisches Verhalten haben, aber im Mittel die Intensit"at
und die Paarkorrelationen korrekt wiedergeben.
Teilchen kommen in der Beschreibung des Experiments im Rahmen der
Thermischen Interpretation gar nicht vor.
Die "ubliche Annahme, dass einzelne Klicks im Detektor durch
Eintreffen einzelner Photonen entstehen, ist rein metaphysisch
und kann im Rahmen der Quantenmechanik weder bewiesen noch widerlegt
werden. Sie wird in der Thermischen Interpretation
verworfen.
Statt dessen sind, was sich ph"anomenologisch wie Teilchen
verh"alt, einfach lokal (entlang kleiner umgebungen von Weltlinien)
hohe Konzentrationen von Feldern. Also etwa wie Buchstaben
lokale Konzentration eines Druckerschw"arzefelds sind.
Damit lassen sich alle experimentellen Befunde ohne Probleme
im Rahmen der durch die Thermische Interpretation
erkl"arten Quantentheorie quantitativ verstehen.
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S27. Muss man den ganzen Zustand des Universums kennen?
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Nach g"angiger Auffassung kann man Experimente unabh"angig vom
Rest des Universums analysieren; der Zustand des Universums
steht dagegen in der Thermischen Interpretation
an prominenter Stelle - alles h"angt davon ab, da nur _seine_
Dynamik deterministisch ist.
Allerdings d"urfte der mikroskopische Zustand des gemessenen Systems
samt Messger"at reichen, um die dominanten Effekte zu bekommen.
Nur h"angen deren zeitliche Entwicklung von _deren_ Umgebung ab, usw.,
so dass man nach gen"ugend vielen Zwiebelschalen das ganze
Universum hat. Die "ausseren Schichten tragen nat"urlich nur noch
wenig bei, verhindern aber ein vollst"andig desterministisches Bild.
Man kann aber vermutlich bei gen"ugend vorsichtiger Definition des
Randes eines Experiments die Rolle des Rests vom Universum auf die
Vorgabe der zeitlichen Entwicklung des Mikrozustands des Randes
beschr"anken.
Man hat dann allerdings statt einem Anfangswertproblem ein
Anfangs-Randwertproblem, da der Mikrozustand des Randes als zu
_allen_ f"ur das experiment relevanten Zeiten bekannt sein muss.
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S28. Kann man den Zustand des Universums falsifizieren?
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"Uber den Zustand des Universums k"onnen wir nie _alles_ herausfinden,
aber sehr vieles schon. Insbesondere k"onnen wir leicht falsifizieren,
dass der Zustand des gesamten Universums irgendetwas blind vorgegebenes
sein kann!
Nehmen wir der Einfachheit halber an, das Universum sei in einem
reinen Zustand psi. Nehmen wir ausserdem an,
wir h"atten ein Koordinatensystem irgendwie eindeutig festgelegt
(etwa nach GPS-Art). [Hier lassen sich n"at"urlich Zweifel anmelden,
ob das geht, aber Physiker machen ja auch sonst viele
Plausibilit"atsannahmen, die noch hinterfragt werden k"onnten.)
Im zugeh"origen Hilbertraum gibt es dann Operatoren M(x)
(genauer, operatorwertige Distributionen), die die Massendichte
an der Stelle x beschreiben. "Uber die Verteilung von M(x) f"ur x
in unserem Sonnensystem wissen wir z.B. recht gut Bescheid,
da wir diese in beliebiger Wiederholung ziemlich genau messen bzw.
extrapolieren k"onnen, also durchaus genaue Statistik dar"uber
anfertigen. Sei rho(x,m) die gemessene Wahrscheinlichkeitsdichte.
Die Quantenmechanik sagt nun voraus, dass f"ur gen"ugend sch"one
Funktionen f(m) die Formel
psi^*f(M(x))psi = integral f(m) rho(x,m) dm (*)
mit einer Genauigkeit gilt, die bei beliebig gew"ahltem
Konfidenzlevel ebenfalls vorhergesagt wird.
Gibt man nun psi blind vor (etwa mit einem Zufallsgenerator, der
Einheitsvektorem im Hilbertraum ausw"urfelt), so l"asst sich (8)
mit denselben Verfahren testen, mit denen auch sonstige Vorhersagen
statistisch auf ihre Vertr"aglichkeit mit der Theorie gepr"uft
werden. Rein zuf"allig gew"ahlte psi werden diesen Test mit
extrem hohem Konfidenzlevel nicht "uberleben.
Der Zustand des Universums ist also ziemlich stark durch die
Gesamtheit aller uns bekannten Fakten "uber das Universum
eingeschr"ankt. Wenn man extrapoliert, kann man also durchaus
plausibel argumentieren - mit genau denselben Argumenten,
mit denen man Argumeniert, dass der Zustand eines N_Teilchensystems
festgelegt ist - dass der Zustand des Universums
eindeutig festgelegt ist, auch wenn wir ihn nie genau bestimmen
k"onnen.
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S30. Wie erkl"art sich der Zufall?
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Die Technik ist im Prinzip bekannt. Siehe etwa:
H Grabert,
Projection Operator Techniques in Nonequilibrium
Statistical Mechanics,
Springer Tracts in Modern Physics, 1982.
Das ist "ubrigens das beste Buch "uber Projektionstechniken,
das ich kenne. Nicht perfekt, aber sauber und klar geschrieben,
mit allen relevanten Details, und auf das Wichtige beschr"ankt.
Grabert wendet die Technik auf verschiedene interessante
Spezialf"alle an, und bekommt so aus der fundamentalen
Liouville-Gleichung z.B. die Navier-Stokes-Gleichungen,
stochastische Diffusionsprozesse, Mastergleichungen und
Quanten-Markov-Prozesse a la Lindblad.
Seine Darstellung geht deutlich "uber die durchschnittliche
hinaus, da sie
1. zeigt, dass die Methode universell ist und _alle_ traditionellen
Gleichungen liefert (und daher meiner Meinung nach ebenso prominent
in die Physikausbildung geh"ort wie die Hamiltonsche Mechanik!)
2. ganz deutlich macht, wie der Zufall zustandekommt
(jedenfalls, wenn man das Buch mit den richtigen Augen -
und zwischen den Zeilen - liest).
Wenn man dieselbe Technik auf den Messprozess anwendet
(was vor mir anscheinend niemand in der notwendigen Allgemeinheit
getan hat), indem man als relevante Operatoren alle Funktionen von
(kommutierenden) Pointervariablen und alle (nichtkommutierenden)
Operatoren, die das quantenmechanische Teilsystem beschreiben,
bekommt man nach einer Markov-Approximation als reduzierte
Dynamik einen quanten-klassischen Diffussions-Sprung-Prozess
f"ur die Erwartungswerte der reduzierten Variablen.
Man sieht also genau, wie der Zufall entsteht - er ist nichts
anderes als der hochfrequente, nicht mitmodellierte Anteil
der Dynamik, der wegprojiziert worden ist, sich aber nat"urlich
nicht ganz aus der Welt schaffen l"asst, sondern seine Spuren
hinterl"asst.
Wahrscheinlichkeiten sind also einfach Konsequenzen der
gew"ahlten Beschreibungsebene.
Beschreibt man das Universum mit _allen_ Details,
die es objektiv darin gibt, so ist es deterministisch.
Beschreibt man dagegen ein Teilsystem, als ob es allein im
Universum w"are (und das tun wir praktisch immer), so ist der
Einfluss des nicht mitmodellierten Teils zwar trotzdem da,
kann aber nur noch approximativ durch stochastische Einfl"usse
modelliert werden. Daher sieht es in dieser reduzierten Beschreibung
wie zuf"allig aus. Und wenn man es quantitativ fasst, kommt
aus der Analyse mit dem Projektionsformalismus gerade
die Bornsche Regel heraus!
Es ist qualitativ nicht viel anders als beim W"urfeln.
Modelliert man alle Kr"afte, so ist die Bahn des W"urfels
determiniert; modelliert man aber nur die Punktezahl,
bekommt man die traditionellen Wahrscheinlichkeiten.
Nur die Auswertungsformeln sind etwas verschieden.
Die effektive Nichtlinearit"at der beobachtbaren stochastischen
Dynamik ergibt sich aus dem Projektionsformalismus.
_Dort_ ist nat"urlich ein unbewiesener Schritt von derselben Art,
wie er "uberall auftritt, wo aus einer reversiblen eine irreversible
Dynamik wird. Aber dies gilt im Gefolge von Boltzmann heute als
gut verstanden und hat den Konsens der Physiker.
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S31. Ist der quantenmechanische Zufall objektiv?
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L"asst sich das Teilsystem objektiv auszeichnen, so ist der
durch diese Auszeichnung und die dadurch notwendige Projektion
entstehende Zufall ebenfalls objektiv.
Das gilt jedenfalls f"ur gewisse, kanonisch ausgezeichnete
Beschreibungsebenen (Hydromechanik = lokales Gleichgewicht,
Kinetik = mikrolokales Gleichgewicht) und verschiedene
Hybride mit qunatenmechanischen Systemen.
(Man kann nat"urlich auch sehr subjektive Beschreibungsebenen
w"ahlen, und der Zufall wird dann dementsprechend subjektiv.)
Es ist also objektiver Zufall, der durch die reduzierte
Beschreibung auf wohldefinierten Beschreibungsebenen
entsteht. Subjektiv h"ochstens in dem restriktiven
Sinn, dass, was Zufall ist, von der Beschreibungsebene
(Auszeichnung des Teilsystems durch Angabe der relevanten Gr"ossen)
abh"angt, und dass diese Ebene unterschiedlich gew"ahlt werden kann,
und in diesem Sinn vom beschreibenden Subjekt abh"angt.
Aber durch die Beschreibungsebene, d.h. in der Praxis die Wahl
der zeitlichen und r"aumlichen Skala, auf der ein Ph"anomen
aufgel"ost werden soll, und der dadurch implizierten Algebra
der relevanten Beobachtungsgr"ossen, ist der Zufall _objektiv_
festgelegt, und k"onnte bei vollst"andiger Kenntnis des
Zustandes des Universums vorhergesagt werden. Die bei der
Projektion gemachten Approximationen (um einen Markov-Prozess
zu bekommen) legen die Verteilung aller relevanten Variablen
vollst"andig fest als Ausdr"ucke, die sich aus dem Zustand des
Universums im Prinzip ausrechnen lassen.
Durch unscharfes Messen kommt nat"urlich ein weiteres
Zufallselement ins Spiel, das rein statistischen Charakter hat.
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S32. Wie fasst man Wahrscheinlichkeitsverteilungen?
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Ein Experiment, das Auskunft "uber die Wahrscheinlichkeitsverteilung
einer Zufallsvariable x macht, erscheint in der Terminologie von
Section 8 von [EECQ] als ein Experiment, das allen gen"ugend einfachen
Funktionen f(x) als Wert v(f(x)) den Erwartungswert von f(x)
zuordnet. Die Kenntnis s"amtlicher Erwartungswerte ist gleichwertig
mit der Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung.
In der Praxis misst man aber nur endlich viele Realisierungen von x
und kann daher f"ur Zufallsvariable mit kontinuierlichem Spektrum
immer beliebig verr"uckte, irregul"are Funktionen konstruieren,
die z.B. an allen bisher gemessenen Werten 1 sind und an allen
n"achste Woche zu messenden Null sind. jegliche angewandte Statistik
geht davon aus, dass man solche irregul"aren Funktionen ausser
Acht l"asst.
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S33. Was wird aus dem Superpositionsprinzip?
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In der traditionellen Analyse des Nesssprozesses nach von Neumann
wird radikal vereinfacht (wodurch die Probleme entstehen),
indem man Messungen als Reduktion auf Eigenwerte auffasst,
und allgemeinere Situationen dann mit Hilfe des Superpositionprinzips
analysiert.
In der Thermischen Interpretation ist das ein klein bisschen
komplizierter. Wenn man n"amlich ein experiment wiederholt, hat sich
der Zustand des Rests der Welt schon ver"andert, und man hat daher
nicht mehr exakt dieselbe Situation.
Sondern nur noch im Mittel dieselbe. Das macht den ganzen Unterschied,
Man kann n"amlich nicht ganze Universen superponieren. Jedenfalls
w"usste ich nicht, wie das pr"apariert werden soll. Es gibt in der
Thermischen Interpretation nur _einen_ Zustand,
den des gesamten Universums. Alles andere sind Derivate.
Das Superpositionsprinzip gilt nur f"ur Systeme, die so klein sind,
dass man sie innerhalb dieses Universums in praktisch beliebiger
Anzahl herstellen und manipulieren kann. Makroskopische Systeme
geh"oren definitiv nicht mehr dazu!
Diese Einschr"ankung bringt Wigners klassisches Argument
J.A. Wheeler and W. H. Zurek (eds.),
Quantum theory and measurement.
Princeton Univ. Press, Princeton 1983,
Kapitel II.2, insbes. pp. 285-288.
(siehe dazu den Beitrag ''Does decoherence solve the
measurement problem?'' in meinem theoretical physics FAQ
auf http://www.mat.univie.ac.at/~neum/physics-faq.txt)
zu Fall, das die Unvereinbarkeit von uneingeschr"ankter Unitarit"at,
dem uneingeschr"ankten Superpositionsprinzip und dem Kollaps
des Zustands bei einer Messung beweist.
Wir betrachten das detailliert im n"achsten Beitrag anhand der
Messung eines einzelnen Spins.
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S34. Spinmessung formal betrachtet
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Aus der Sicht der Thermischen Interpretation
stellt sich eine Spin-Messung im Schr"odingerbild formal so dar:
<.>_t ist der Zustand des Universums zum Zeitpunkt t,
monoton und linear auf der Algebra \E aller Gr"ossen.
\E_S ist die Algebra der Gr"ossen des Systems. Also f"ur einen Spin die
Algebra der komplexen 2x2-Matrizen A = [A_11,A_12;A_21,A_22].
J:\E_S --> \E eine unit"are Darstellung, die angibt, welcher von den
vielen Spins im Universum genau das System darstellt.
Das Teilsystem wird ebenfalls im Schr"odingerbild beschrieben:
Zu einem beliebigen Zeitpunkt t ist das System S im Zustand rho_t, der
durch
_t = trace rho_t A f"ur alle A in \E_S.
eindeutig festgelegt ist. Falls zu einer Zeit t die Beziehung
rho_t = psi_t psi_t^*
gilt, sagt man, man habe das Teilsystem in einem reinen Zustand psi_t
pr"apariert.
S ist zum Zeitpunkt t im reinen Zustand |s> (s=1,2), falls
rho_t = |s>_t = A_ss f"ur alle A in \E_S.
Das wird f"ur gewisse, pr"aparierte Zeiten t in EIG(s) der Fall sein,
aber im Allgemeinen in der Regel nicht. Zu gewissen anderen
Zeitpunkten t in SUP sei S statt dessen in einer reinen Superposition
psi_t pr"apariert, also rho_t = psi_t psi_t^* und daher
_t = psi_t^* A psi_t f"ur alle A in \E_S.
W"ahrend den unpr"aparierten Zeiten ist das System in der Regel in
einem u.U. gemischten Zustand.
z ist die gemessene makroskopische Zeigervariable, die s messen soll.
Die Reaktionszeit des Detektors (bis sich Gleichgewicht eingestellt
hat) sei R; die anschliessende Totzeit (bis eine weitere
zuverl"assige Messung m"oglich ist) sei T. Gemessen wird das zur
Zeit t pr"aparierte System also, indem der thermodynamische
Gleichgewichtswert
s_t := _{t+R}
auf eine Genauigkeit eps genau abgelesen wird.
F"ur ein vern"unftiges Messger"at wird vorausgesetzt, dass
(innerhalb der Messgenauigkeit eps)
s_t = s f"ur alle t in EIG(s),
falls je zwei aufeinanderfolgende Messungen mindestens den
zeitlichen Abstand R+T haben. Das kann in einer Kalibrierungsphase
gepr"uft werden.
Die unit"are Dynamik im Universum ist gegeben durch
_t := _0,
wobei
U(t)U^*(t)=U^*(t)U(t)=1.
Mehr weiss man a priori nicht. Offenbar kann man daraus - ganz
anders als in Wigner's idealisierter Analyse - nicht allgemein
folgern, wie der Messwert bei den in einer Superposition
pr"aparierten Systemen aussehen muss. Dies muss statt dessen durch eine
Analyse mit den Mitteln der statistischen Mechanik gekl"art werden.
Diese liefert bei einer entsprechenden Modellwechselwirkung
die gew"unschte Wahrscheinlichkeitsstruktur und die Bornsche Regel.
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S35. Was ist an Wigner's Analyse idealisiert?
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Wigner's Analyse setzt zus"atzlich voraus, dass die Messung
eine sogen. von-Neumann-Messung ist, d.h., dass ein System,
das (im Beispiel des Spins) im reinen Zustand |s> ist,
diesen Zustand nach der Messung beibeh"alt.
Diese weitverbreitete Annahme ist aber beim Stern-Gerlach
Versuch nicht gerechtfertigt.
Ein Silberatom in einem Spin-up Zustand |1> sitzt nach der Messung
irgendwo auf der Schirmoberfl"ache, sicher nicht mehr mit Spin up,
sondern auf komplizierte Weise mit dem Schirm verschr"ankt!
Es besteht also ein grosser Unterschied zu einer idealisierten
von-Neumann Messung!
Die Annahme einer von-Neumann-Messung beruht darauf, dass
bei einem sicheren Ergebnis eine Wiederholung der Messung,
auch mit einem neuen Messgerät, das Ergebnis reproduzieren sollte.
Das ist nur bei nichtzerst"orerischen Messungen der Fall.
Nichtzerst"orerische Messungen sind aber schwierig, weil sie
indirekt messen m"ussen und sind vor 1980 undurchf"uhrbar gewesen.
Insbesondere l"asst sich bei weitem nicht alles nichtzerst"orerisch
messen.
Nichtzerst"orerische Messungen werden in der Literatur diskutiert,
z.B. Braginsky et al, Science 209 (1980), 547-557. Sie begr"unden
auch, warum Ortsmessungen (also Zeiger ablesen, Bilder ausmessen)
nie nichtzerst"orerisch sein k"onnen.
Typische Messvorgange, insbesondere die f"ur die traditionellen
Paradebeispiele (Interferenz am Doppelspalt, Stern-Gerlach,
Photoeffekt, Geigerz"ahler, usw.) geh"oren also nicht zu
den von-Neumann-Messungen.
Eine von-Neumann-Messung ist hochgradig idealisiert und beschreibt
eigentlich keine echte (irreversible) Messung, sondern nur eine
weitere Pr"aparation. Daher kann man auch die Reduktion an eine
beliebige Stelle im Kommunikationsprozess verschieben.
Meiner Meinung nach kommt die traditionelle Identifikation von
Messung und von-Neumann-Messung durch konzeptuelle Schlamperei
zustande.
Das Vorbeifliegen eines Silberteilchens am Magneten oder das
Durchfliegen eines Photons durch einen Doppelspalt ist keine Messung,
sondern erst das Auftreffen auf der Photoplatte. (Versucht man etwa
am Spalt wirklich zu messen, verschwindet die Interferenz.)
Man betrachtet aber stillschweigend das Passieren von Filtern
(Magneten, Doppelspalt, Prisma, Polarisationsfilter ...) als eine
Messung, weil man weiss, was herauskommen w"urde, _wenn_ man messen
w"urde. Darin liegt der Fehler.
Denn die QM macht einen Unterschied (und ger"at in Widerspr"uche,
wenn man ihn nicht macht), ob die Versuchsanordnung tats"achlich
Information an die Umgebung verliert (und nur das
macht eine Messung aus), oder ob sie es nur tun w"urde, wenn...
(was keine Messung ist).
Fiktive "Uberlegungen im Konjunktiv haben keine physikalischen
Wirkungen.
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S36. Kollaps als bedingte Wahrscheinlichkeit?
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In meinem Collapse Challenge quant-ph/0505172 beschreibe ich
das Messproblem in seiner vielleicht einfachsten Form:
dem Kollaps des Zustands beim Passieren einer Blende.
Unabh"angig von der Interpretation ist auf jeden Fall ein Kollaps da;
nur bezieht er sich auf Unterschiedliches, je nach Interpretation.
1. Wenn man den Zustand (die Wellenfunktion modulo Phase) mit 'Wissen'
identifiziert, hat man die statistische Interpretation,
und der Kollaps ist dann bekanntlich einfach der "Ubergang zur
bedingten Wahrscheinlichkeit. Er existiert, aber er birgt keine
Probleme.
Nach dieser Interpretation ('Zustand = Wissen') sagt die Quantenphysik
nicht das Geringste "uber die Wirklichkeit aus, sondern nur etwas
"uber mentale Vorg"ange im Beobachter - n"amlich, wie sich
sein Wissen "andert, wenn er Notiz von einem Messergebnis
nimmt und es als echt akzeptiert. (Wenn er es n"amlich nicht
akzeptiert, bleibt sein Wissen das alte und die Wellenfunktion
daher unreduziert!)
Eine konsistente Haltung, zugegeben. Aber Physik auf Psychologie
zu reduzieren, ist ein Verzweiflungsschritt, nicht eine L"osung des
Grundlagenproblems.
2. Die Alternative ist, den Zustand mit dem Objekt zu identifizieren.
Das ist das, was Physiker pragmatisch tun, wenn sie Experimente
planen und durchdenken. Und es ist das, was mit der Praxis realer
Quantenmessungen - wie etwa in dem zitierten Buch von Braginsky
und Khalili beschrieben - in Einklang ist.
Dann ist der Zustand und das Photon auf der Modellebene identisch,
im selben Sinn wie ein klassisches Bohrsches Atom ein Paar von
Punkten im Phasenraum ist.
Dann ist der Kollaps ebenfalls da, aber nun ist er ein objektives
(beobachterunabh"angiges) Problem der statistischen Mechanik:
das Ergebnis der Wechselwirkung des Quantensystems mit einer
Vielteilchen-Blende.
Vor Jaynes, der die unselige psychologische Interpretation (1.)
aufgebracht hat, war meines Wissens 2. der Default.
Von Neumann und Wigner haben zwar das 'Mind' ins Spiel gebracht,
aber nicht von ''state = knowledge' geredet.
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S40. Was sind die Beables der Interpretation?
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In meiner Thermischen Interpretation existieren
alle Erwartungswerte objektiv als Beables im Sinne Bells.
Manche davon sind der Messung zug"anglich - n"amlich die, die
zeitlich und "ortlich langsam genug ver"anderlich sind sowie
eine kleine Unsch"arfe haben. Dazu geh"oren wegen dem Gesetz
der grossen Zahlen insbesondere die thermodynamischen Gr"ossen.
Alle "ubrigen sind der Messung unzug"anglich - es sind die
verborgenen Variablen, nach denen Einstein und andere so
lange suchten. Die meisten davon sind hochgradig nichtlokal,
im Einklang mit Bells Theorem.
Meine Thermische Interpretation stellt also den
Realismus wieder her, ohne wie Bohm zus"atzliche Freiheitsgrade
in die Quantenmechanik aufnehmen zu m"ussen.
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S41. Was ist ein Erwartungswert?
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Ein Ensemble ordnet jeder (gen"ugend 'guten') Gr"osse f
einen Erwartungswert zu. Damit der Name Erwartungswert
gerechtfertigt ist, muss die Abbildung f -->
linear und monoton sein,
= alpha + beta f"ur alpha, beta in C,
<= falls f <= g
und eine Stetigkeitsbedingung gen"ugen.
Das Standardbeispiel, das diesem Begriff den Namen gibt,
ist der Mittelwert aus einer Anzahl von Realisierungen
einer Zufallsvariable.
Aber wie "uberall in der Mathematik deckt ein namensgebendes
Beispiel selten das ganze Spektrum der Anwendungen ab.
Man darf sich also unter einem abstrakten Ensemble nicht
ein konkretes Ensemble aus vielen gleichartigen Objekten
vorstellen, sondern dies nur als oft n"utzliche, oft aber
auch irref"uhrende Illustration ansehen.
Insbesondere wird das Universum in der
Thermischen Interpretation durch ein Ensemble
beschrieben, obwohl das Universum einzigartig ist,
es also insbesondere nur eins davon gibt. (Zumindest ist
es das einzige abgeschlossene physikalische System, von dem wir
jemals Kenntnis haben k"onnen! Denn Kenntnis setzt Wechselwirkung
voraus, und damit Nichtabgeschlossenheit.)
Erwartungswerte gibt es in unterschiedlichen Auspr"agungen.
Der mathematische Formalismus beschreibt nicht nur die statistische
Auswertung von Versuchsreihen, sondern z.B. auch die statistische
Mechanik.
Wenn ich die Temperatur einer Tasse Tee messe, mache ich eine
_einzige_ Messung, und erhalte eine Zahl, aus der ich dann
mit den Mitteln der Thermodynamik und bekannter Eigenschaften
des Materials 'Tee' die innere Energie ausrechnen kann. Die habe
ich also unfreiwillig mitgemessen. Die innere Energie ist aber
nach Auskunft der statistischen Mechanik der Erwartungswert
des mikroskopischen Energieoperators. Dieser Erwartungswert
gen"ugt allen Anforderungen der Mathematik, obwohl er eine
Einzelmessung an einem Einzelsystem ist - man braucht nicht
"uber Hunderte Teetassen oder Hunderte von Messungen an
derselben Tasse zu mitteln.
Das grosskanonische Ensemble, das hier betrachtet wird,
ist rein fiktiv, um mit statistischen Konzepten arbeiten zu
k"onnen. Es ist ebenso fiktiv wie der 6N-dimensionale Phasenraum
ein fiktiver 'Raum' ist, in dem wir denken wie in 3 Dimensionen,
um uns eine intuitive Vorstellung davon machen zu k"onnen.
Mathematische Konzepte sind ihrer Natur nach abstrakt:
Um sie verwenden zu k"onnen, ist es nicht n"otig,
dass die reale Bedeutung der Konzepte dieselbe ist wie die,
in der das Konzept urspr"unglich entwickelt wurde, sondern
nur, dass dieselben formalen Beziehungen erf"ullt sind.
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S42. Was ist eine Pr"aparation?
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Ich habe mir angeschaut, was Experimentatoren, insbesondere
in der Quantenoptik, tats"achlich _tun_, und nicht, wie sie
dar"uber _reden_.
Physiker reden oft davon, dass sie Teilchen in einem bestimmten
Zustand pr"apariert haben.
Was besagt die Aussage gew"ohnlich? Die experimentelle Anordnung
enth"alt eine Prim"arquelle von Teilchen, "uber deren Zustand
man relativ wenig weiss. Durch ein System von Blenden und Filtern
wird daraus ein Teilchenstrahl gewonnen, der nur noch Teilchen
im behaupteten Zustand enth"alt.
Dieser Zustand (sagen wir Spin up) wird z.B. dadurch best"atigt,
dass man den Spin in up-Richtung mit einem Stern-Gerlach Experiment
misst und wirklich nur einen Fleck an der erwarteten Stelle findet.
Aus der Sicht der Thermischen Interpretation ist das
Messen des Flecks aber zun"achst nur eine Messung makroskopischer
Eigenschaften des Schirms, nur indirekt mit dem objektiven Zustand
des systems verkn"upft.
Aus dieser Sicht stellt sich dieselbe Pr"aparation so dar:
Pr"apariert wird die Quelle, d.h. der Strahl, aber nicht das
einzelne Teilchen.
Auf der Ebene der Quantenfeldtheorie ist ja nicht einmal klar,
ob man im Strahl Teilchen hat oder Felder.
Die Thermische Interpretation redet aber nur "uber
vorher mathematisch pr"azise definierte Objekte, darf sich also
in dieser Hinsicht nicht festlegen.
Station"are Quellen haben einen wohldefinierten, vermessbaren
Quantenzustand, gegeben durch eine Dichtematrix. Mit dieser
Interpretation gibt es keinerlei Probleme hinsichtlich
Pr"aparation.
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S43. Was ist eine mikroskopische Messung?
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Physiker reden viel vom Messen mikroskopischer Gr"ossen.
Aber was messen sie wirklich?
Da meine Thermische Interpretation hier eine
andere Auffassung vertritt als die Tradition, ist es wert,
letztere genauer zu betrachten.
Schauen wir uns also die Behauptung n"aher an, ein Physiker
habe in einem Experiment den Spin eines Teilchens gemessen.
Was ist wirklich passiert?
Gemessen wird eine makroskopische Gr"osse, die stabil genug ist,
dass sie sich "uberhaupt reproduzierbar beobachten l"asst.
Das ist der Roh-Messwert. Daraus wird mittels theoretischer
"Uberlegungen (alles Handwaving) auf den Spin des einzelnen Teilchens
geschlossen und einfach behauptet, man habe diesen Spin gemessen.
Bei der Menge an Approximationen, die von der Beschreibung von
System+Apparat+Umgebung zur gemachten Behauptung, man h"atte einen
Spin gemessen, f"uhren, und bei der Empfindlichkeit, mit der ein
kleines Quantensystem auf St"orungen reagiert, ist das durchaus
hinterfragbar.
Wenn man genauer mit statistischer Mechanik nachrechnet, bekommt man
auch wirklich keine sicherere Basis f"ur diese Behauptung, sondern nur
die Aussage, dass man im Mittel den Spin misst. Man beobachtet
auch tats"achlich ziemlich zuf"allige Einzelbeobachtungen und erst
im Mittel eine brauchbare, reproduzierbare Beobachtung, die als
physikalisch relevantes Faktum gelten kann.
Insgesamt kann man bei geeigneter Versuchsanordnung genug Daten sammeln,
um daraus die Dichtematrix der Quelle zu bestimmen, und damit alle
von der pr"aparierten Quelle produzierten Erwartungswerte.
Genau das ist es, was die Quantenoptiker in ihren Experimenten auch
tum, sie wollen nicht mehr und nicht weniger "uber ein Quantensystem
(das heisst eine station"are oder langsam ver"anderliche Quelle)
wissen.
"Uber ein Einzelteilchen machen sie jedoch keine Aussage;
daf"ur interessieren sie sich auch nicht. Die physikalisch
interessante Messung ist nicht der einzelne Klick im Apparat,
sondern die Verteilung vieler Klicke.
Die Ergebnisse einer Einzelmessungen sind natürlich ganz
offensichtlich Messergebnisse - aber nicht des Teilchens,
sondern des Messapparats.
Sie geben z.B. die Position eines Zeigers oder eines Silberflecks
wieder. Die zugeh"orige mikroskopische Gr"osse ist eine
massengewichtete Summe extrem vieler Atompositionen,
und was man misst, ist der Erwartungswert der Position
im Sinne der statistischen Mechanik.
Einen makroskopischen Silberfleck als 'exakte' Messung etwa des
Spins eines Teilchens zu interpretieren,
ist eine zus"atzliche Annahme, die nicht wirklich
gerechtfertigt werden kann, aber f"ur die Paradoxien
in der Quantenmechanik verantwortlich ist.
In der Thermischen Interpretation d"urfen
Einzelegebnisse von sogenannten "Messungen' mikroskopischer Systeme
nicht mehr ohne Weiteres als das interpretiert werden, als was sie
gemeinhin gelten, n"amlich als Aussagen "uber mikroskopische Gr"ossen,
sondern als das, was sie sind, als makroskopische
Erwartungswerte ausgezeichneter Gr"ossen eines
Vielteilchensystems (des Detektors). Das sind sie n"amlich auf der
fundamentalen Ebene. Nur in dem Mass und mit der Genauigkeit,
mit der man theoretisch zeigen kann, dass dieses Ergebnis mit
dem Wert einer mikroskopischen Gr"osse "ubereinstimmt, verdient
die Messung ihre Einstufung als Messung der mikroskopischen Gr"osse.
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S44. Aber man kann doch einzelne Photonen messen?
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Es gilt als bekannt, dass man einzelne Photonen nachweisen kann,
die Einzelmesswerte aber von den Erwartungswerten abweichen.
Diese Auffassung ist aber nur dann haltbar, wenn man diese Messwerte
als gemessene Photonen interpretieren darf.
Das ist aber sehr fragw"urdig. Denn auch bei einer klassischen
Modellierung des elektromagnetischen Felds tritt der Photoeffekt auf.
Es ist also offensichtlich nicht ein durch das Auftreffen eines
einzelnen Photons, bewirkter Effekt, sondern ein Artifakt,
der im Messger"at erzeugt wird.
In der Thermischen Interpretation z"ahlt das daher
_nur_ als Messung einer Gr"osse des Messger"ats; diese Gr"osse
ist wie alle Rohmessungen ein thermodynamischer Erwartungswert.
Die Theorie muss nun zeigen, ob dieser Messwert auch dem in der
Thermischen Interpretation objektiv festgelegten Wert
einer Gr"osse des gemessenen Systems entspricht.
Die Theorie zeigt nun aber nur, dass es im Mittel
einen Erwartungswert des gemessenen Systems reproduziert,
da die Einzelheiten vom Rest des Universums abh"angt.
Das gilt unabh"angig davon, ob man das Licht klassisch oder
quantenmechanisch modelliert.
Daher darf man den Mittelwert vieler Blitze oder Silberpartikel
als Messung einer Eigenschaft des Feldes verstehen, nicht aber
den Einzelfall als das Auftreffen eines Photons (das es ja im
klassischen Modell nicht einmal gibt).
F"ur das letztere gibt es ausser einem historischen Vorurteil,
das f"ur die ganze Misere in den Grundlagen der
Quantenmechanik verantwortlich ist, nicht die geringste
Rechtfertigung.
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S45. Was ist denn eigentlich ein Photon?
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Die naive Vorstellung eines Photons ist das eines masselosen
Teilchens, das entlang eines Lichtstrahls mit Lichtgeschwindigkeit
dahersaust und sonst keine Eigenschaften hat, wenn es der
Experimentator nicht gerade mal zwingt, sich mit einem anderen
Teilchen zu verschr"anken.
Aber die Quantenoptik zeichnet ein ganz anderes Bild vom Photon.
Ein Photon ist ein kompliziertes Ding.
Selbst in einem reinen Zustand kann es eine beliebige L"osung
der homogenen Maxwellschen Gleichungen sein. (In einem unreinen
Zustand - und Photonen sind durchaus nicht immer so reinlich -
sind sie noch viel komplizierte Objekte, n"amlich lineare Operatoren
auf dem Raum der homogenen Maxwellschen Gleichungen!)
Ein einzelnes Photon in einem reinen Zustand 'ist',
mathematisch gesehen, im Wesentlichen dasselbe wie eine
nichttriviale L"osung der Wellengleichung!
Das heisst, zu jeder solchen L"osung k"onnte man im
Prinzip ein Photon pr"aparieren!
Zu sagen, dass ein Photon eine bestimmte Frequenz oder Richtung hat,
bedeutet schon, seinen Zustand ganz geh"orig einzuschr"anken.
Ausserdem kann es unpolarisiert, zirkul"ar polarisiert,
linear polarisiert, und alle m"oglichen Schattierungen davon sein.
Zur naiven Vorstellung geh"ort auch, dass man das Vorhandensein eines
Photons dadurch feststellen kann, dass man es auf dem Bildschirm,
auf den es auftrifft, blitzen sieht (oder im Photodetektor klicken,
etc.), und so die Zahl der photonen z"ahlen kann.
Nun wird zwar an einer Stelle ein Klick oder Fleck oder Blitz
festgestellt. Dass man dann sagt, man habe ein Photon gesehen
oder gez"ahlt, ist aber ein Euphemismus.
F"ur den Photoeffekt braucht man zwar Quantenmaterie im Detektor,
aber keine Quantenstrahlung; da tut es das klassische Licht,
das ja bekanntlich eine reine Welle ist, genausogut wie
eine Photonenkanone! In klassischem Licht Photonen z"ahlen
ist aber genauso verr"uckt wie in Abwesenheit einer Person
Photos von ihr zu machen!
Viele reden also von Photonen, als w"ussten sie alles "uber sie.
Dabei sind es geheimnisvolle Objekte, deren wahre Natur erst nach
einer Vorlesung "uber Quantenoptik allm"ahlich d"ammert
(wenn "uberhaupt)! Genaueres ist nachzulesen in der Bibel der
Quantenoptiker:
L. Mandel and E. Wolf,
Optical Coherence and Quantum Optics,
Cambridge University Press, 1995.
und in etwas vereinfachter Darstellung, aber trotzdem sehr lesenswert:
U. Leonhardt,
Measuring the Quantum State of Light,
Cambridge, 1997
Mit der Thermischen Interpretation hat das aber noch
gar nichts zu tun - das bis jetzt gezeichnete Bild von den Photonen
war knochenharte Orthodoxie!
Die neue Interpretation kommt erst ins Spiel, wenn man konsistent
dar"uber reden will, was in einem Photonenexperiment eigenlich
objektiv passiert sein soll.
Die Kopenhagen-Interpretation verbietet uns da einfach den Mund.
''Pschscht - sonst kommen gleich Ungerimtheiten heraus!''
Mit der Folge, dass alles Mikroskopische ein gespenstisches
Wesen bekommt. Solange man es nicht misst, hat das Mikroskopische
angeblich gar keine Eigenschaften. Die entstehen also anscheinend erst,
wenn Physiker da sind, die die Kunst des Messens verstehen und die
Materie zwingen k"onnen, sich in einem Eigenzustand zu offenbaren.
Die beliebte informationstheoretische Interpretation setzt noch
eins drauf; sie behauptet sogar, dass der Zustand eines
mikroskopischen Systems vom Wissen oder Unwissen des Beobachters
abh"angt!
Aber das ist offenbarer Unsinn. Die Natur schert sich bestimmt nicht
darum,was Physiker wissen oder nicht!
Sonst h"atte sie, bevor der erste Physiker (oder die erste Am"obe?)
sie beobachtete, ja "uberhaupt keine Eigenschaften haben k"onnen!
Aber wie kann sie sich dann entwickelt und Physiker (oder Am"oben)
hervorgebracht haben?
Die Thermische Interpretation macht mit diesem ganzen
Spuk ein Ende. Da l"asst sich wieder alles objektiv beschreiben!
Photonen, Elektronen, und was es sonst noch an Kleinzeug gibt.
Aber nicht mehr als Teilchen auf einer schmalen Bahn, sondern als
Wolke mit einer Teilchendichte - so wie in der Chemie die Orbitale
von Molek"ulen, die ja auch Elektronendichten darstellen.
Und dazu gibt es noch jede Menge von verborgenen
Korrelationsfunktionen, die weitere Details offenbaren k"onnten,
wenn man so genau messen k"onnte...
Bei einem Doppelspaltexperiment quetscht sich also ein Photon
in Form einer Wolke, die die Teilchendichte beschreibt
(das, was fr"uher Aufenthaltswahrscheinlichkeit hiess),
durch beide Spalte gleichzeitig, ver"andet dabei seine Form,
wird zu einer Superposition des Photons durch den linken und des
Photons durch den rechten Spalt, was sich darin "aussert, dass
die Dichte zwei lokale Maxima bekommt, Mit dieser
Pers"onlichkeitsspaltung l"auft das arme Teilchen weiter,
ger"at in Verwirrung und bildet dabei in seiner Dichte ein
Interferenzmuster aus. Beim Auftreffen auf dem Schirm bekommt
das photon einen f"urchterlichen Schreck und zieht sich wieder
auf seine Ganzheit zusammen, wegen der grossen Aufregung allerdings
etwas zuf"allig, in der N"ahe eines der Maxima seines vorigen
Interferenzmusters.
Etwas weniger reporterhaft geschildert, sorgt die nichtlokale Dynamik
daf"ur, dass von Zeit zu Zeit proportional zur Photonendichte
ein Elektron in einen angeregten Zustand versetzt wird,
eine chemische Reaktion stattfindet, oder was immer als
Detektionsmechanismus gerade relevant ist. Dass dies
stochastisch geschieht, liegt daran, dass das Experiment
hochempfindlich auf den Rest des Universums reagiert.
Wie man dieses stochastische Verhalten auf der formalen Ebene
begr"unden kann, wird im FAQ im Abschnitt
''Wie erkl"art sich der Zufall?'' abgehandet. Das ist allerdings
etwas technischer und erfordert fortgeschrittene Techniken
der statistischen Mechanik.
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S46. Gibt es Probleme mit Lokalit"at und Bells Ungleichungen?
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Nein. Bells Ungleichungen sind rein kinematischer Natur und haben
mit Dynamik nichts zu tun. Siehe Section 7 und 8 in [EECQ].
Nichtlokalit"at der klassisch deterministischen Dynamik des
Quantenuniversums folgt daraus, dass die meisten objektiven Gr"ossen
(also Erwartungswerte) nichtlokal sind.
Die praktisch wichtigen nichtlokalen Beobachtungsgr"ossen
sind die Korrelationsfunktionen , wo F ein Feld
mit Erwartungswert Null und beliebig vielen Komponenten ist.
Diese h"angen offenbar von Werten an zwei verschiedenen Orten
ab und sind daher nichtlokal.
Man braucht also keine Gespenster wie bei Bohm einf"uhren,
um eine klassische nichtlokale Dynamik zu bekommen,
die mit der Quantenmechanik voll konsistent ist.
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S47. Wie vertragen sich denn objektive Messwerte und Unitarit"at?
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F"ur die Zuverl"assigkeit einer realen Messung gen"ugt es,
wenn der Messwert mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
im Rahmen der Messgenauigkeit den objektiven Erwartungswert
reproduziert. Und das ist wegen dem Gesetz der grossen Zahlen
der Fall, auch bei unit"arer Dynamik.
Die quantenmechanischen Unsicherheiten bei einer Ablesung des
makroskopischen Ger"ats sind winzig. Das Messger"at ist im lokalen
Gleichgewicht, die Zeigerspitze hat also approximativ eine
Dichtematrix, die einem grosskanonisches Ensemble entspricht.
Man kann die Gr"ossenordnung der Fluktuationen daher nach den
Regeln der statistischen Mechanik aus der makroskopischen
Zustandsgleichung ausrechnen, und sieht, dass sie keine grosse
Rolle spielen.
Die relative Unsicherheit ist proportional zu N^{-1/2}, wo N die
Zahl der Teilchen in der Zeigerspitze ist. F"ur einen guten Zeiger
ist N ~ 10^20 oder jedenfalls nicht sehr viel kleiner.
Das ist ja das ganze Geheimnis der statistischen Mechanik.
Ohne das Gesetz der grossen Zahlen w"are Thermodynamik unm"oglich...
Das ist auch der Grund, weshalb die Kopenhageninterpretation
auf einem _klassischen_ Messger"at bestehen musste - ein kleines
Quantensystem ist zum Ablesen einer Messung zu unzuverl"assig,
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S48. Wie verborgen sind die 'verborgenen Variablen'?
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Der gew"ohnliche Sprachgebrauch ist der, dass mit 'hidden variables'
klassische Variablen f"ur Beables bezeichnet werden, die einer
deterministischen Dynamik gen"ugen, und aus denen sich die
quantenmechanischen Vorhersagen deduzieren lassen.
Da ich die Erwartungswerte und Korrelationsfunktionen als Beables
betrachte, sind es verborgene Variablen in diesem Sinn.
Andrerseits sind es nat"urlich alte Vertraute der statistischen
Mechanik und daher in gewissen Sinn nicht verborgen. Aber w"ahrend
sie in der orthodoxen statistischen Mechanik als Mittelwerte
"uber viele Realisierungen gedeutet werden, werden sie in meiner
Thermischen Interpretation als irreduzible Variablen
gedeutet, und in diesem Sinn gab es sie vorher nicht, sind sie
also verborgen gewesen.
Dass diese Doppelinterpretation m"oglich und sinnvoll ist, macht
gerade die Kompatibilit"at der neuen Interpretation mit dem
quantenmechanischen Formalismus aus.
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S50. Wof"ur steht das Fragezeichen auf S.30 von [EECQ]?
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Es steht als Platzhalter f"ur Werte, die vom Experiment nicht
geliefert oder daraus berechnet werden k"onnen, aus was f"ur Gr"unden
auch immer.
Z.B. weil das Ger"at den Spin in x-Richtung misst, den in y-Richtung
also nicht, obwohl das auch ein f ist.
Oder weil man Personen in einem Raum z"ahlt, und gerade
jemand hereinkommt, und man nicht weiss, ob man ihn mitz"ahlen
soll/darf/muss.
Oder weil f eine Zeitkorrelation ist, man aber ein statisches
Experiment macht, das dar"uber keine Auskunft gibt. Oder weil
jemand Kaffee "uber das Protokoll gesch"uttet hat, und man
daher nicht mehr alle Werte entziffern kann. Oder... oder...
Die Algebra enth"alt ja sehr viele Gr"ossen, messen tut man
aber immer nur ganz wenige davon. Ausrechnen (und damit indirekt
messen) kann man daraus ein paar mehr, je nachdem, wieviele Regeln
man erlaubt. Aber das meiste bleibt ungemessen.
Ein Experiment im Sinn meiner Definition kann sowohl eine
einzelne Messung sein (wo dann fast alles den Wert ? hat),
eine Versuchsserie, in der man ein Instrument sorgf"altig
kalibriert (also Verteilungsfunktionen herausfindet),
oder eine Riesenmaschinerie wie CERN, in der massenhaft
Daten produziert und ausgewertet werden. Der Unterschied liegt
eben darin, welcher Menge von Gr"ossen man auf Grund des
gemachten Experiments Werte zuordnen kann.
Reale experimente sind nat"urlich nur Approximationen an
konsistent realisierte Experimente, ebenso wie reale Messungen
auch schon in der klassischen Physik nur Approximationen der
(theoretisch exakten) Gr"ossen liefern.
Dass mein rudiment"arer Experimentbegriff dem wirklichen
nicht in allem gerecht wird, habe ich in der Einleitung zu
Section 8 diskutiert. Ich habe den Begriff
soweit eingeschr"ankt, dass man damit mathematisch etwas
anfangen kann, ohne von den Komplexit"aten eines echten
Experiments Notiz nehmen zu m"ussen.
Ich habe nur den Aspekt eines Experiments formalisiert,
dass Experimente es erlauben, dass bestimmten Gr"ossen
Werte zugeordnet werden k"onnen.
'Vollst"andige' Experimente im Sinn meiner Definition sind
also Idealisierungen, ausser f"ur ganz winzige Systeme, die lange
genug station"ar bleiben, um sie vollst"andig ausmessen zu k"onnen.
Von einen Radiergummi auf meinem Schreibtisch messe ich nicht die
Koordinaten aller Atome (obwohl die kommutieren, also laut
Kopenhagen prinzipiell gleichzeitig messbar sind; aber niemand
hat das bisher geschafft), sondern nur ein paar thermodynamische
Erwartungswerte und ein paar Angaben "uber Form und Lage.
Die meisten Gr"ossen, die der Radiergummi also prinzipiell hat,
bleiben ungemessen.
Das ? ist der diesen ungemessenen Gr"ossen formal zugeordnete Wert,
damit ich nicht bei allen Formeln dazuschreiben muss, ''falls alle
Werte definiert sind'' - das w"urde alles un"ubersichtlich und
langweilig machen.
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S51. Warum verlangt man (S1) auf S.30 von [EECQ]?
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(S1) ist das Mindeste, was man verlangen muss. Denn
wenn man nicht mal gefahrlos verschieben und skalieren darf,
sind physikalische Messungen praktisch unm"oglich -
dann machen ja schon die Wahl des Ursprungs und der Masseinheit
eine Ortsmessung problematisch.
F"ur das Meiste, was Physiker mit Roh-Messwerten tun, um
daraus interessante Messergebnisse zu bekommen, braucht man
mehr Rechenregeln.
Schon um den Impuls eines Teilchens zu messen, das bei einem
Zerfallsprozess im Beschleuniger entsteht und dessen Spur
man fotografiert oder mit moderneren Detektorkammern
aufgezeichnet hat, rechnet man ja einiges: Fit der Spur an
eine Helix oder ein Kalman-Filter, dann aus mehreren solchen
Spuren den Zerfallszeitpunkt r"uckrechnen, dann die Tangente
an diesem Punkt bestimmen, usw. und alles noch mit einer
Sensitivit"atsanalyse, um zu wissen, wie genau man geworden ist.
Ohne Regeln vorauszusetzen, w"are das alles verbotener Hokuspokus.
Eine auf den ersten Blick unverf"angliche solche Rechenregel
ist etwa
(SQ1) v(f^2) = v(f)^2,
Quantenlogiker haben seit langem diskutiert, was alles sinnvoll
verlangt werden kann oder auch nicht, und was f"ur Konsequenzen
das hat. Ich habe mir davon das herausgepickt, was sich elegant
pr"asentieren l"asst und auf kleinem Raum viel "uber das
Messproblem aussagt. (z.B. also Bell-Ungleichungen.)
Mit (SQ1) fangen nun schon die Probleme an, wie die Diskussion in
Section 8 meiner Arbeit zeigt. Man darf diese Regel nicht exakt
verlangen, wenn man nicht die Quantenmechanik verwerfen will,
sondern nur in einer abgesch"wachten, approximativen Form
|v(fg) - v(f)v(g)| <= Delta f Delta g
die mit der Unsch"arferelation kompatibel ist.
F"ur die Analse makroskopischer Messungen sind diese Feinheiten
irrelevant, aber im Mikroskopischen essentiell.