Die Mathematik ist die Einheitssprache der modernen Welt - überall, in allen Ländern, wird dieselbe mathematische Sprache gesprochen. In den Grundlagen ist diese Sprache völlig einheitlich; in Spezialgebieten, die noch in Entwicklung sind, gibt es jeweils Dialekte, die durch verschiedene Traditionen geprägt sind. Diese Einheitssprache und ihre technische Nutzung gibt den Menschen eine ungeheure Macht über die Natur. Mehr ist machbar geworden, als je für möglich gehalten wurde, und die Grenzen sind kaum abzusehen. Andrerseits ist vieles unserer Kontrolle entzogen, da wir die Folgen unsrer Technik oft nicht abschätzen können und auch böse Erfahrungen damit machen.
Es wird Ihnen nicht schwerfallen, moderne Parallelen zu der folgenden alten Geschichte festzustellen:
Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.
Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst.
Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, laßt uns Ziegel streichen und brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel
und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen: denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. Da fuhr Gott, der Herr, hernieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten.
Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist erst der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.
Wohlauf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner des anderen Sprache verstehe!
So zerstreute sie der Herr von dort in alle Länder, daß sie aufhören mußten, die Stadt zu bauen.
(Genesis 11, 1-9)
Wie alle Macht, die Gott den Menschen übertragen hat, trägt auch die Macht des Wissens das Angebot von Segen und Fluch in sich. Was Mose vor über 3000 Jahren seinem Volk ausrichten ließ, gilt auch noch heute:
Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen,
indem ihr den Herrn, euern Gott, liebt und seiner Stimme gehorcht und ihm treu bleibt. Denn das bedeutet für dich, daß du lebst und alt wirst und wohnen bleibst an dem Ort, wohin dich Gott führt.
(Deuteronomium 30, 19-20)
Als Wissenschaftler tragen wir in besonderem Maß Verantwortung für den Weg, den unser Land und unsre Welt einschlägt. Das Leben wählen, darauf kommt es an - wie nahe daran sind wir heute, die Welt für uns und unsre Nachkommen unbrauchbar zu machen!
Arnold Neumaier (Arnold.Neumaier@univie.ac.at)