Heute will ich keinen mathematischen Stoff bringen, sondern etwas von der Quelle erzählen, aus der ich meine Kraft, meine Begeisterung, meine Stellung und mein Leben habe.
Jesus sagt (vgl. Matth. 6,25-34; Luk. 6,38):
Gott hat die Welt gemacht als Ausdruck seines Reichtums, und uns
Menschen als Ausdruck seiner Art, als Bild Gottes, zum Umgang mit Ihm
bestimmt (1.Mose 1,27).
Darin liegt die höchste Würde unsres Menschseins, und durch
den Umgang mit Ihm gewinnen wir einen festen Stand im Leben. Alles
kommt darauf an, im Einklang mit Gott zu leben, denn er weiß, wofür
er uns gemacht hat und wie unser Leben Erfüllung findet.
Aber so sind die Gottlosen nicht,
sondern wie Spreu, die der Wind verstreut.
Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht
noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten,
aber der Gottlosen Weg vergeht.''
(Psalm 1)
Gott will (5.Mose 18,13; Matth. 5,48; 1.Kor. 14,20),
daß wir vollkommen werden, vollkommen
in der Erkenntnis seines Willens, vollkommen im Tun: Barmherzig,
liebevoll, wahrhaftig, gerecht, wie Gott selbst es ist. Er
setzt die Maßstäbe des Guten; an uns liegt es, uns in ihrer
Beherrschung zu üben. Dort, wo wir uns üben, werden wir vollkommener -
ob es sich um Lesen, Schreiben und Rechnen, um das Beherrschen einer
Sprache oder Wissenschaft, oder um ein Gott gemäßes Leben handelt.
Ich will hier einmal nach der Art einer mathematischen Vorlesung über Gott reden, mich orientieren an den Kategorien der Definition, Konstruktion, Existenz und Eindeutigkeit. Natürlich ist Gott kein mathematisches Objekt, und so ein Vorgehen hat seine Grenzen. Aber wie ein mathematischer Beweis streng genommen auch nur ein etwas dem geschulten Denker einsichtig machen ist und eine gemeinsame Erfahrungsgrundlage voraussetzt, so auch hier. Was ich hier versuche, ist mehr ein die Augen öffnen für Gott als ein wirklicher Beweis, so wie auch ein mathematischer Beweis nur soviel Detail enthält, wie nötig ist, dem anderen die Augen für die Wahrheit der Argumente zu öffnen.
Der Schmied macht ein Messer in der Glut und formt es mit Hammerschlägen. Er arbeitet daran mit der ganzen Kraft seines Arms; dabei wird er hungrig, so daß er nicht mehr kann, und trinkt auch kein Wasser, so daß er matt wird. Der Zimmermann spannt die Schnur und zeichnet mit dem Stift. Er behaut das Holz und zirkelt es ab und macht es wie eines Mannes Gestalt, wie einen schönen Menschen; in einem Hause soll es thronen.
Er haut Zedern ab und nimmt Kiefern und Eichen und wählt unter den Bäumen des Waldes. Er hatte Fichten gepflanzt, und der Regen ließ sie wachsen. Das gibt den Leuten Brennholz; davon nimmt er und wärmt sich; auch zündet er es an und bäckt Brot; aber daraus macht er auch einen Gott und betet's an; er macht einen Götzen daraus und kniet davor nieder.
Die eine Hälfte verbrennt er im Feuer, auf ihr brät er Fleisch und ißt den Braten und sättigt sich, wärmt sich auch und spricht: Ah! Ich bin warm geworden, ich spüre das Feuer. Aber die andere Hälfte macht er zum Gott, daß es sein Götze sei, vor dem er kniet und niederfällt und betet, und spricht: Errette mich, denn du bist mein Gott!
Sie wissen nichts und verstehen nichts; denn sie sind verblendet, daß ihre Augen nicht sehen und ihre Herzen nichts merken können. Er kommt nicht zur Einsicht; keine Vernunft und kein Verstand ist da, daß er dächte: Ich habe die eine Hälfte mit Feuer verbrannt und hab auf den Kohlen Brot gebacken und Fleisch gebraten und gegessen, und sollte die andere Hälfte zum Götzen machen und sollte knien vor einem Klotz?
Wer Asche hütet, der hat sein Herz getäuscht und betört, so daß er sein Leben nicht erretten und nicht zu sich sagen wird: Ist das nicht Trug, woran meine Rechte sich hält?''
Ja, die Bibel versteht die Agnostiker oder Atheisten, die denken, daß ein Gottesverständnis, das eine rein menschliche Konstruktion ist, wertlos ist, bloß ein Papiertiger, Asche, Trug. Und sie stimmt ganz damit überein. Aber die Bibel weist auch darauf hin, daß das nicht alles ist, daß es einen Gott gibt, der anders ist, nicht von uns gemacht, sondern einen, der alles gemacht hat, mit einer unermeßlichen Macht. Jes. 45,5-12:
Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf! Ich, der Herr, habe es geschaffen.
Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du? und sein Werk: Du hast keine Hände! Weh dem, der zum Vater sagt: Warum zeugst du? und zur Mutter: Warum gebierst du?
So spricht der Herr, der Heilige Israels und sein Schöpfer: Wollt ihr mich zur Rede stellen wegen meiner Söhne? Und wollt ihr mir Befehl geben wegen des Werkes meiner Hände? Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen. Ich bin's, dessen Hände den Himmel ausgebreitet haben und der seinem ganzen Heer geboten hat.''
Natürlich ist all unsere Sprache menschliche Konstruktion, und doch drücken wir darin viele Wahrheiten aus, z.B. mathematische. Der Wahrheitsgehalt liegt nicht in der Konstruktion selbst (dem Modell, wie die Physiker sagen), sondern darin, wieweit dieses Modell Eigenschaften der Wirklichkeit korrekt widerspiegelt. Die richtige Frage ist also:
Gott äußert sich
Gottes Wirken sieht man tagtäglich an vielem, was in der Schöpfung geschieht; obwohl sich viele daran gewöhnt haben, das tägliche Wunder hinzunehmen, ohne sich Gedanken zu machen. Neben seinem alltäglichen Wirken, was wir in naturwissenschaftliche Regeln fassen können, ist Gott allerdings auch immer mal wieder für Überraschungen gut (Wunder), wie es einer kreativen Persönlichkeit - im Unterschied zu einer Maschine - angemessen ist.
Wir betrachten unsere tägliche Post nicht als Produkte des Zufalls, sondern als von andern Menschen mit bestimmten Absichten geschrieben, weil wir selbst Briefe schreiben können und daher wissen, was es damit auf sich hat. Jetzt, wo die Menschheit anfängt, das Leben zu manipulieren und wir sehen, wieviel Absicht, Planung und Aufwand dazugehört, etwas Konstruktives damit zu machen - während der Zufall meist verdirbt, was wir anstreben und deshalb unter scharfer Kontrolle gehalten werden muß, sollten wir ein ebensolches Verständnis für das Wirken Gottes gewinnen können.
Gottes Willen erfährt man im Umgang mit Menschen (Christen), die ihn schon kennen, aus Berichten von ihnen (Bibel) und im persönlichen Gespräch mit Gott (Gebet). Nach einiger Übung (und dem Lernen aus guten und schlechten Erfahrungen) wird man so aufmerksam, Gottes Stimme aus vielem zu hören, obwohl die Prüfung, was wirklich von ihm kommt und was nur so ähnlich aussieht, nie entfällt. (Wie oft sind auch unsere mathematischen Argumente bei näherem Hinsehen fehlerhaft, insbesondere, wenn wir denken, etwas sei offensichtlich trivial.)
Gottes Persönlichkeit erlebt man am vollkommensten in Jesus; daneben
aber in einzelnen Aspekten auch bei vielen Menschen
in Geschichte und Gegenwart, die bereit waren, sich nach Gottes
Bild formen zu lassen.
Gnade ist das freie Geschenk Gottes; wir können es weder erzwingen noch haben wir ein Recht darauf. Was wir aber beeinflussen können, ist, wie wir mit diesen Geschenken umgehen: Wir können sie verschleudern oder pflegen, und je nachdem können die Geschenke ihre Wirkung entfalten oder nicht. Der kleine Mensch läßt seine Gaben verkommen oder mißbraucht sie für Zwecke, die der Geber mißbilligt, und stoppt so den freien Fluß der Gnade. Der große Mensch aber pflegt seine Gaben und nutzt sie zur Zufriedenheit des Gebers, und provoziert so ein organisches Nehmen und Weitergeben der Gnade. (Das läuft praktisch auf eine Definition von groß im Sinne Gottes hinaus.)
Wie beweisen Sie die Existenz des deutschen Bundeskanzlers? Der einfache Beweis ist der Verweis auf Zeitung und Fernsehen. Aber beide berichten auch unwahre Dinge, und wenn wir nicht genug Vertrauen in sie haben, müssen wir uns viel mehr Mühe machen, um ihm selbst zu begegnen; wer sich diese Mühe nicht macht, wird nie Sicherheit in dieser Frage haben.
Viele große Sätze der Mathematik kennen wir auch nur vom Hörensagen, im Vertrauen auf Spezialisten, die sich die Mühe gemacht haben, die Beweise im einzelnen zu studieren - und wer garantiert uns, daß sie keinen Fehler übersehen haben? Wir können den Experten vertrauen; aber wer wirklich wissen will, muß selbst prüfen - auch mathematische Wahrheit läßt sich nur von denen finden, die sie ernsthaft, von ganzem Herzen suchen.
Ein Gott, der nichts Großes mehr tut, und erst recht ein Gott, der nichts Großes tun kann, kann ohne große Konsequenzen ignoriert werden - für das Leben der Menschen ist er ohne Bedeutung. Ein Gott, der von uns nichts will, um den brauchen wir uns nicht zu scheren; ihm gegenüber sind wir frei und könnten ebensogut Atheisten sein.
Aber ein Gott, der handelt und etwas von uns will, hat als unser Schöpfer ein Recht auf unsere Reaktion, auf unseren Gehorsam, so gut wir es vermögen. Ihm gegenüber sind wir nicht frei; aber die Unterordnung unter ihn befreit uns von allem anderen. ``Was wollen wir nun hierzu sagen?'' fragt der Apostel Paulus in Röm. 8,31.35-39, und beantwortet es so:
Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? wie geschrieben steht: Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.
Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Die Kräfte, die wir Menschen uns nutzbar zu machen gelernt haben,
sind furchterregend wegen ihres zerstörerischen Potentials bei falschem
Gebrauch, und doch nutzen wir sie wegen der immensen lebensfördernden
und -verbessernden Möglichkeiten, die der sorgfältige Umgang mit ihnen
mit sich bringt. In weit größerem Maße ist der wahre Gott eine
ehrfurchtsgebietende Macht zum Fürchten und Lieben: Zum Fürchten,
weil er Herr ist über die formenden und zerstörenden Kräfte der Materie
und des Geistes; zum Lieben, weil er die Quelle der Kreativität,
der Liebe und des Lebens ist. Der rechte Umgang mit ihm entscheidet
über Wert und Qualität unseres Lebens.
Daher möchte ich die Aufforderung in Erinnerung rufen, mit der Mose am Berg Sinai das Volk Gottes ermahnte:
Das Leben mit Gott ist die Quelle wahren Lebens - die Quelle, aus der ich meine Kraft, meine Begeisterung, und mein Leben habe. Ich schätze mich glücklich, für Ihn leben zu dürfen, und ich wünsche Ihnen dasselbe Glück.
Arnold Neumaier
Arnold Neumaier (Arnold.Neumaier@univie.ac.at)