Ihr seid das Salz der Erde -

Ihr seid das Licht der Welt -


Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man's salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als daß man es wegschüttet und läßt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.
So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

(Matth. 5,13-16)


Dieser Text ist uns Christen eine Herausforderung, eine Mahnung und ein Ruf zur Umkehr.

Wir sind das Salz; wir bilden einen kleinen Bestandteil der Lebensmittel, der aber doch dem Ganzen Geschmack und Bestand gibt. Wir sind das Licht, brennen in einem kleinen Gefäß und beleuchten doch das Ganze, daß die Menschen sehen können und sich zurechtfinden. Gott traut uns sehr viel zu, er stellt uns in eine verantwortungsvolle Aufgabe.

Worin besteht diese Aufgabe? Der Text steht in der Bergpredigt, zwischen den Seligpreisungen und Jesu Bekräftigung der Gültigkeit des Gesetzes, und erhält von daher seinen Inhalt. Selig sind, die ihr Leid tragen, die Frieden vermitteln, die sich nach Gerechtigkeit sehnen. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen verlacht und verfolgt werdet, und die Leute schlecht von euch reden ``so sie daran lügen'', denn darin geht es euch wie den Propheten: Ihr seid das Salz, das sich in seiner Funktion auflöst, das Licht, das sich beim Leuchten verzehrt.

Jesus stellt uns Jünger in eine Reihe mit den Propheten, die Gottes Wort kennen und weitergeben, die trösten und mahnen, - damit Wirklichkeit wird, was Jesaja vorhersagt (Jes. 2:1-5): daß Gott den Menschen seine Wege lehrt und sie ''wandeln auf seinen Steigen, denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem'' - und die an der oft ablehnenden Haltung der Menschen keinen Anstoß nehmen.

Jesus sagt: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Er hat uns diese Bestimmung gegeben. Er hat uns auf den Leuchter gesteckt, damit wir allen leuchten. Er weiß, daß wir dort wie die Stadt auf dem Berge allen sichtbar sind, und er betont, daß es auch so sein soll. Unser Licht, das ist Gottes Wort in unseren Händen, das den Menschen Klarheit und Orientierung gibt. Wenn wir Gottes Wort ausrichten, wird es hell bei den anderen. Aber auch bei uns, und die Leute sehen unsere Werke.

Oh weh! Jesus setzt als selbstverständlich voraus, daß unsere Werke gute Werke sind, und gleich danach sagt er, was er damit meint: Daß wir selbst die kleinsten Gebote tun und lehren, und unsere Gerechtigkeit besser ist als die der Pharisäer, die nur nach außen hin so tun, als ob...; daß wir den Geist der Gebote erkennen und tun: unseren Gegnern nachgeben, Rechenschaft über unser Reden ablegen, nicht widerstreben, wenn wir schlecht behandelt werden, unseren Feinden Gutes tun, keine Schätze auf Erden sammeln, uns nicht um Nahrung und Kleidung sorgen, andere nicht verurteilen, ...

Nochmal: Für Jesus ist es klar, daß die Leute solche guten Werke bei uns sehen, über denen sie Gott preisen können. Kann Jesus das im Ernst meinen? Erwartet er nicht zuviel? Aber nein, wir verstehen ihn schon recht; die Menschen von damals haben genauso reagiert: ``Und da Jesus diese Rede vollendet hatte, entsetzte sich das Volk über seine Lehre; denn er redete mit Vollmacht und nicht wie die Schriftgelehrten.'' (Matth. 7:28-29)

Die Schriftgelehrten pflegten Gottes Willen auf ein, wie sie meinten, zuträgliches Maß zu verkleinern, in dem alles Anstößige entfernt war. Doch damit wird das Salz kraftlos, es ist zu nichts mehr nütze, und Gott schüttet es weg und läßt es die Leute zertreten. Sehen wir dies nicht heute oft geschehen? Die Leute sagen: Der will Christ sein und lebt so!? - sie sehen unsere schlechten Werke und verachten uns und unseren Vater im Himmel.

Wenn das Salz kraftlos wir, womit soll man's salzen? Jesu Antwort klingt hier entmutigend: es ist aus und vorbei. Aber als seine Jünger einmal so entmutigt sind (Matth. 19:23-25), sagt Jesus: ``Bei den Menschen ist's unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich.'' (Matth. 19:26)

So laßt uns unsere Nachlässigkeit vor Gott bringen, ihn um Vergebung, Mut und neue Kraft bitten, daß wir mit ganzen Ernst nach seiner Herrschaft in unserem Leben und nach seiner Gerechtigkeit trachten. Laßt uns bereit sein zum Frieden, bereit, um der Gerechtigkeit willen Nachteile im Kauf zu nehmen, um Jesu willen verachtet zu werden. Laßt uns unseren Feinden Gutes tun, andere nicht verurteilen, und reden, was Bestand vor Gott hat. Laßt uns in großen und geringen Dingen so leben, daß die Leute, die uns sehen, sagen: ''Am Christsein ist was dran; der/die strahlt etwas von Gottes Licht aus!'', und unseren Vater im Himmel preisen.


Ein zentrales Problem dieses Textes, und im Grunde des ganzen Evangeliums ist die Spannung, die zwischen dem Anspruch Gottes und dem, was davon Wirklichkeit ist bzw. wird, herrscht. Gott mutet uns so Unerhörtes zu und verspricht uns gleichzeitig so unerhört viel, daß es den Rahmen der Wirklichkeit zu sprengen scheint. Aber gerade darin liegt das Licht und die Kraft; dieser Anspruch, wenn überhaupt einer, ist fähig, uns richtig zu orientieren - wie das Erdmagnetfeld den Kompass -, das Größte aus uns hervorzulocken und zu entfalten, soweit Gott seine Kraft dazu gibt.

Und da fangen meine Schwierigkeiten an: Ich sehe oft so wenig von der Kraft Gottes, und mein Glaube ist dann schwach und gering. Wenn ich das Leben an Gottes Anspruch und Versprechen messe, genügt es weder dem Anspruch noch bewahrheiten sich seine Versprechen; wenn ich aber das Leben mit Gott am Leben ohne Gott messe, so ist soviel mehr da als am 'normalen' Leben, nach Gottes Anspruch und nach dem, was er gibt. Deshalb habe ich Vertrauen, daß der Rest noch kommt, bin aber zugleich oft betrübt über das Nichtkommen.
``Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.'' (Matth. 5:6)
``Von Johannes an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein.'' (Luk. 16:16)
Ich bin ungeduldig, und ich leide unter meiner Ungeduld. Aber Jesus redet immer wieder vom jetzt, noch in diesem Leben ... und rechtfertigt im Grunde diese Ungeduld.

Manchmal wiegt das alles nicht so schwer, wenn ich an das Bild von der Pflanze denke, die mit aller Kraft der Sonne entgegenstrebt, und doch den ungeheuren Abstand nicht verkleinern kann; aber vom Boden aus gesehen, wächst sie und wird größer, und zieht ihre Kraft aus der Sonne, obwohl diese weit, weit weg ist und nie erreicht wird.


Ihr seid das Salz! Ihr seid das Licht! Gott traut uns Unerhörtes zu. In uns Menschen ist das Bedürfnis verankert, den höchsten Maßstäben zu genügen, uns ganz einzusetzen für Gott und seinen Willen. Vielleicht ist die Sehnsucht danach am größten, solange wir jung sind und unser Leben seine entgültige Prägung noch nicht gefunden hat. Wir müssen die unerhörten Ansprüche und Versprechen Gottes laut werden lassen, damit sich niemand falschen Führern anschließt, die die Leute ins Verderben locken, indem sie diese Sehnsucht nach einem klaren Ziel auf ihre eigennützigen Pläne lenken.


P.S. Es ist interessant, daß die Parallelstelle in Lukas 8:16-18 eine ganz andere Zielsetzung hat; offenbar ist das Bild vom Licht unter der Bank ein geläufiges aramäisches Sprichwort gewesen.


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Arnold Neumaier (Arnold.Neumaier@univie.ac.at)